Seite:Das Geheimnis eines Lebens.pdf/88

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Entschluß gefaßt, mich hierher zu flüchten. Welche Umstände mir diesen verzweifelten Plan aufgedrängt haben, will ich Dir, mein Kind, in dem Folgenden auseinandersetzen. Trotzdem ich nicht weiß, wie lange ich noch mit der Ausführung meines Vorhabens zögern werde, will ich diese vollkommen wahrheitsgetreue Schilderung meiner Vergangenheit und der Ereignisse der letzten Zeit noch heute vollenden, den Brief gut versiegeln und an Dich adressieren.

Du weißt, daß ich in Kalkutta bei einer Plantagen-Gesellschaft als Inspektor angestellt war, weißt, daß ich damals noch den Namen Franz Schönberg führte, meinen richtigen Namen. Durch vorsichtiges Spekulieren an der Börse und kleine Privatgeschäfte hatte ich mir in kurzer Zeit ein kleines Vermögen erworben.

Eines Tages teilte mir ein Bekannter, als ich gerade wieder in Kalkutta weilte, unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit, es würde in nächster Zeit in südafrikanischen Minenaktien ein großer Kurssturz stattfinden, dem aber ein ebenso schnelles Emporsteigen der Kurse folgen werde. Der Bekannte, ein Angestellter eines Bankinstitutes, machte mir die Sache so mundgerecht und schilderte mir den leichten Gewinn so verlockend, daß ich mich überreden ließ und meine gesamten Ersparnisse in den bald darauf wirklich sehr niedrig stehenden Minenaktien anlegte. – Drei Monate später war mein mühsam erworbenes Vermögen bis auf den letzten Pfennig verloren, infolge welcher Umstände, will ich hier nicht auseinandersetzen, da dies zu weit führen würde. Jedenfalls war ich nun genau so arm wie vor elf Jahren, als ich in Kalkutta landete. Wie schwer dieser Schlag für mich zu überwinden war, wirst Du erst verstehen, wenn ich Dir sage, daß ich nur, nur für Dich gespart und gedarbt hatte. Dir wollte ich ein Vermögen hinterlassen, wenn ich plötzlich einmal sterben sollte, damit Du nicht mittellos, nur auf die Mildtätigkeit Fremder angewiesen, allein zurückbliebest. Völlig verzweifelt und mutlos mußte ich mich kurz darauf zu einer

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/88&oldid=- (Version vom 31.7.2018)