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Rüstungen, Waffen, Felle, Schlangenhäute, dazwischen hin und wieder ein grinsender Totenschädel neben einem in Spiritus aufbewahrten Präparat. Kurz und gut, weniger stilgerecht hätte selbst ein von keinerlei Kultur angekränkelter Hottentotte seine Hütte kaum herauszuputzen können. Und dabei lagerte über dem Ganzen dieser eigenartige Geruch, der uns in jeder Apotheke entgegenschlägt, dieses Gemisch von den Ausströmungen von Säuren, Arzneien, hier nur noch vermengt mit dem süßlichen Duft von Zigaretten, deren Stummel überall umhergestreut waren.

Der Besitzer all dieser Herrlichkeiten war zurzeit nicht heimisch. Aber in dem Arbeitszimmer hantierte dafür ein anderes Wesen desto eifriger umher und versuchte auf der Hälfte „Empfangszimmer“ etwas Ordnung herzustellen. Es war ein kleines, unscheinbares Weiblein mit faltigem, gelbem Gesicht, das jetzt gerade unter häufigem zornigen Knurren die Zigarettenasche von dem etwas fadenscheinigen Teppich fegte. Das Alter dieses dienstbaren Geistes festzustellen, wäre eine Aufgabe für einen großen Menschenkenner gewesen. Das Gesicht war das einer Sechzigjährigen, und dazu paßte auch der runde Rücken und der recht spärliche, in ein dünnes Zöpfchen geflochtene Haarwuchs. Doch an den sechzig Jahren wurde man sofort wieder irre, wenn man die flinken Bewegungen und das emsige Schaffen des Weibleins beobachtete. Mit großer Schnelligkeit gelang es ihr, der linken Zimmerseite ein einigermaßen würdiges Aussehen zu geben. Die Bücher und Zeitschriften wurden eiligst zusammengerafft und auf einen freien Stuhl am Fenster gelegt. So war wenigstens der Sofatisch frei. Dann wandelte sich der „Empfangssalon“ in kürzester Zeit wie auf ein Zauberwort in ein Eßzimmer um: Den Sofatisch bedeckte ein schneeweißes Tischtuch, darauf lag ein Gedeck, standen Teller, eine Menage, eine angebrauchte Flasche Rotwein mit Glas, – alles zierlich verteilt und nett hergerichtet. Und während das Weiblein so mit Aufräumen beschäftigt war, mußte es recht häufig diese Arbeit unterbrechen

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)