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Walther Kabel: Das Gewissen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 5–16

Bei diesen wimmernden Klängen überlief den Bankdirektor ein eisiger Schauer. Einer Ohnmacht nahe lehnte er sich an die kalte Steinwand. Der Boden schien unter seinen Füßen zu schwanken. Das Blut sang ihm in den Ohren, bunte Sternchen zuckten vor seinen Augen auf, zerstiebten wieder. – Nur nicht schwach werden, nur aushalten! Wenn er doch nur den Mut gehabt hätte, die Eintrittskarte zu diesem furchtbaren Schauspiel zurückzuweisen! dachte er jetzt angstvoll. Aber er hatte es nicht gewagt in seiner steten Furcht, durch irgend eine Kleinigkeit Argwohn zu erregen. – Am liebsten hätte er sich jetzt die Finger in die Ohren gestopft und die Augen fest geschlossen, nur um nichts mehr zu sehen, nichts zu hören.

Er durfte es nicht. Nur nicht auffallen! Bald mußte ja alles vorüber sein, bald würde – ein Unschuldiger dort auf dem Block den letzten Seufzer ausgehaucht haben und er –

Nun, er würde die Ruhe und die alte Sicherheit wiederfinden.

Der Staatsanwalt verlas das Urteil. Vor ihm stand Fritz Gumpert, fahlen Antlitzes, die Augen starr nach oben gerichtet, wo der Himmel von den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne mit durchsichtiger Helle durchtränkt war.

Und jetzt wurde ihm die mit der Unterschrift des Landesherrn versehene Urkunde vor die Augen gehalten.

Fritz Gumpert schien aus tiefster Betäubung zu erwachen. Sekunden trennten ihn nur noch von dem letzten Augenblick.

„Ich sterbe unschuldig, meine Herren,“ sprach er

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Walther Kabel: Das Gewissen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 5–16. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Gewissen.pdf/10&oldid=- (Version vom 15.12.2022)