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Walther Kabel: Das Gewissen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 5–16

Und nun dieser hier – der verlangt mehr, der verlangt einen Schwur beim ewigen Gott, bei der Seele Seligkeit! – Nein, den kann der alte Andreas nicht leisten, das – das würde der Herrgott droben nie verzeihen.

Ein gellendes Lachen stört den Wärter aus diesen jagenden Gedanken auf.

„Sie Elender!“ preßt Gumpert aus schwer atmender Brust in sich überstürzenden Worten hervor. „Sie treiben Ihren Spott noch mit mir, machen sich über mich lustig! Wissen Sie denn, was es heißt, in einem Augenblick Hoffnungen wecken und wieder zerstören, wissen Sie, was Sie mir angetan haben? Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen, mich darein gefunden, zu sterben, noch heute, in wenigen Minuten zu sterben! Und da kommen Sie mit Ihren scheinheiligen Reden, mit Ihren Lügen, die ich wie einen neuen Lebensodem in mich aufnahm, die mir Zauberbilder einer lichten Zukunft vorgaukelten! Und alles das nur eine schändliche Vision, von Ihnen hervorgerufen! Die Wahrheit ist der Tod – der Tod!“

Des Verurteilten Stimme ist immer leiser geworden, ihr Tonfall hat gewechselt. Und das letzte kommt nur noch heraus wie ein Hauch, grausig, entsetzlich in dieser gelallten Monotonie.

Der Wärter wagt nichts zu erwidern. Lautlos beginnt er seines Amtes zu walten. Er hat es nicht schwer mit dem Delinquenten. Fritz Gumperts Kräfte sind völlig erschöpft. Willenlos läßt er alles mit sich geschehen. Und auch auf die Frage, ob er nicht doch noch dem bisher stets zurückgewiesenen Geistlichen Gehör schenken wolle, schüttelt er nur langsam den Kopf.

Dann führen sie ihn hinaus durch die hallenden Gänge.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Gewissen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 5–16. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Gewissen.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)