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Walther Kabel: Das Gewissen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 5–16

den Kassenraum betreten und dort den Kassierer mit einer furchtbaren Schädelwunde tot vor dem ausgeraubten Panzerschrank aufgefunden. So war er, Fritz Gumpert, bei dem man die fünfzigtausend Mark bei seiner Verhaftung beschlagnahmt hatte, in aller Augen zum Mörder geworden.

Was halfen ihm all seine Unschuldsbeteuerungen gegenüber den schwerbelastenden Momenten, die sein bisheriger Lebenswandel, seine Unterschlagungen ergaben. Was half es ihm, daß er immer wieder versicherte, er sei unschuldig. Niemand glaubte ihm. Er solle angeben, wo er den Rest des geraubten Geldes, weitere hundertachtzigtausend Mark, versteckt habe, solle wenigstens durch ein offenes Geständnis sein Gewissen entlasten. Er konnte nichts weiter beichten, konnte nicht. Er wußte ja nichts von einem Morde, war schuldlos an dieser blutigen Tat.

So nahmen die Geschworenen sein Schweigen als Verstocktheit, seine heißen Unschuldstränen als Heuchelei hin, so ward er zum Tode verurteilt.

***

Unter den zwölf Zeugen, die gesetzmäßig jeder Hinrichtung beiwohnen sollen, befand sich auch Bankdirektor Gruber, der Inhaber jenes von Gumpert so schwer geschädigten Instituts.

Grubers Gesicht sah in dem Zwielicht des frühen Tages unter dem schwarzen Zylinderhut erschreckend bleich aus. Seine Mundwinkel zuckten fortwährend in nervöser Erregung, und immer wieder trat ihm kalter Schweiß auf die Stirn. Nur mit Mühe vermochte er seine äußere Haltung zu bewahren, nur stotternd konnte er sich an der leisen Unterhaltung der Umstehenden beteiligen, die immer wieder scheu, mit stillem

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Walther Kabel: Das Gewissen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 5–16. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Gewissen.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)