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E. von Bandels Wohnung auf der Grotenburg.

Hell liegt der Abendsonne rother Strahl,
Geschmolznem Erze gleich, auf Hermanns Schilde;
In seinem letzten Schimmer ruht das Thal
Und goldne Streifen säumen das Gefilde,

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Das sich erhebt zu jenen Höhen sacht,

Die mit des Buchenwaldes grüner Nacht
Sich einen dort dem prächt’gen Sommerbilde.
Verstummt ist schon des Frühlings Sängerheer,
Nur drüben aus des dunkeln Buschwerks Mitte,

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Das abendlich sich röthet mehr und mehr,

Singt eine Drossel neben Bandels Hütte.

’ne Hütte, ja! ein winzig Bretterhaus
Ist’s, das den Meister jahrelang geborgen;
Wohl pfiff der Wind hinein und pfiff hinaus,

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Dem „Bergesalten“ macht’ es wenig Sorgen,

Und nicht des Raumes Enge störte ihn.
Sah er doch Himmelsblau und Waldesgrün
Und hörte Vogelsang jahrein jahraus.
Kaum lugt in’s Fenster ihm der Frühlingsmorgen,

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Rief ihm der Staar, der Finke hell und frisch

Den Morgengruß vom Dach und vom Gebüsch,
Begleitend ihn, wenn er aus seiner Hütte
Zum Denkmal droben, seinem Arbeitsfeld,
Mit leichter Seele wandte seine Schritte,

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Indeß tief unten ruhte noch die Welt.

Die frische Bergluft kühlte seine Wange,
Geröthet oft vom Beil- und Hammerschlag
In unermüdlich regem Arbeitsdrange,
Wenn schwer und schwül der lange Sommertag,

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Den Apfel röthend und die Ernte reifend,

Dort unten auf dem Thalgelände lag.
So schafft er fort, bis daß der Herbstwind pfeifend
Um seine Hütte fegte und im Flug
Hinab der Buche gelbe Blätter trug;

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Bis daß der Kranich schreiend über’s halbe,

Geleerte Ackerfeld gen Süden flog
Und mit ihm Abschied nahmen Fink und Schwalbe.
Dann mit den letzten Wandervögeln zog
Thalwärts der Meister, lassend seine Klause

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Den Bergesnebeln und dem Sturmgebrause.


Hier hat er in der Jahre Füll’ und Kraft,
Das stolze Haupt von gold’gem Bart umflossen,
In erster Künstlerlust gewirkt, geschafft,
Bis auf des Werkes hoffnungsgrüne Sprossen

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Der Mehlthau fiel, der kalte Reif der Nacht

Und seine Hände lähmt’ und seine Schwingen.
Ein Dichtertraum war Deutschlands Größ’ und Macht.
Wo ist die Hand, das feste Band zu schlingen
Um’s hadernde, zerrißne Vaterland?

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Zu führen es im Geist der großen Ahnen

Aus seinem Dunkel auf des Ruhmes Bahnen,
Geeint und stark und frei – wo ist die Hand?
Noch feiert sie; vereinsamt und vergessen
In der Parteien heißentbranntem Streit

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Ist auf dem Teut das Heldenmal indessen;

Erst halb vollendet steht’s – ein Bild der Zeit.
Was soll den Stämmen, den gespaltnen, wohl
Ein Hermannsbild, der Einigkeit Symbol! –

Empfohlene Zitierweise:
: Das Hermanns-Denkmal und der Teutoburger Wald. Meyer, Detmold 1875, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Hermanns-Denkmal_und_der_Teutoburger_Wald.pdf/15&oldid=- (Version vom 31.7.2018)