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„Herr Hubert, Hilde hinter hat Sie mir gegenüber sehr gelobt … Sie meinte, man müßte zu Ihnen Vertrauen haben, wenn man auch nur kurze Zeit mit Ihnen zusammen gewesen ist …“

Ich verbeugte mich nur …

Das feine, blasse, alte Gesicht gefiel mir … Die Augen waren so ehrlich und kindlich …

„Herr Hubert,“ fuhr sie leiser fort, „ich möchte mit Ihnen daher gern über Dinge sprechen, die mich seit langem beunruhigen … Dinge, die hier mit unseren Hausgenossen zusammenhängen. Sie wissen, unten im Erdgeschoß wohnen Winters und ich, oben Garbrich und Fiedler und hier oben Sie, Herr Hubert, dann noch im Seitenanbau der Straßenbahnschaffner Kirch mit Familie …“

„Ja – ich weiß, Fräulein Wendig … Und ich weiß auch, daß hier im Hause nicht alles so ist, wie es sein soll …“

Sie schaute mich prüfend an …

Flüsterte jetzt:

„Haben Sie es auch schon bemerkt, Herr Hubert?“

„Was denn?! Ich habe manches gemerkt … So zum Beispiel, daß das Verhältnis zwischen Hilde und ihrem Vater sehr schlecht ist …“

„Allerdings … leider, leider … Das arme Mädchen! Sie ist unendlich zu bedauern … Sie hat nichts vom Leben – nichts! Und wenn sie wenigstens noch den Mut fände sich auszusprechen! Aber – die Angst verschließt ihr den Mund …!“

Das alte Fräulein hatte die welken Hände im Schoße gefaltet …

„Herr Hubert,“ begann sie nach kurzer Pause abermals, „ich … ich wollte Sie fragen, ob Ihnen schon aufgefallen ist, daß unser Haus ständig bewacht – beobachtet wird …“

„Nein!“ Und ich muß ein recht verblüfftes Gesicht gemacht haben, denn die alte Lehrerin flüsterte hastig:

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das Kreuz auf der Stirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Kreuz_auf_der_Stirn.pdf/31&oldid=- (Version vom 31.7.2018)