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und als Sie auf Ihrem Lauscherposten saßen, sehr laute Stimmen in dem Arbeitszimmer … Winter und seine Tochter schienen sich zu streiten. Wir konnten kein Wort verstehen, Sie jedoch müssen etwas verstanden haben, Herr Hubert …“

„Bedauere, Herr Harst. Mein Gehör ist nicht besonders gut …“

„So?! – Ich habe soeben ziemlich leise gesprochen …“

„Das ist doch wohl ein Unterschied, Herr Harst,“ meinte ich achselzuckend. „Sie sitzen hier drei Meter von mir entfernt … Auf dem Baumast war ich von den Streitenden durch ein Fenster und einen Fensterladen getrennt …“

„Nun gut, Herr Hubert … Die Sache ist ja auch nur deshalb von Bedeutung, weil das Verhältnis zwischen Winter und seiner Tochter recht schlecht war, was auch Fräulein Hilde zugegeben hat …“

Pause …

Ich starrte ihn an …

Ich merkte, er würde nun zu einem Hiebe ausholen …

Und so war’s …

„Fräulein Hilde war die letzte Person, die Winter lebend sah,“ warf er hin …

Ich hielt den Atem an …

Und er fügte hinzu: „Fräulein Hilde ist auf den Vornamen Mathilde getauft – mit M. … Mathilde!!“

Ich sprang auf …

„Herr Harst, haben Sie etwa auf … auf Hilde Verdacht?! – Das wäre ja …“

„Bitte – regen Sie sich nicht auf, Herr Hubert … Mir und in meiner Praxis Fälle vorgekommen, wo die sanftesten Mädchen, durch einen brutalen Vater zur Verzweiflung getrieben, zu Mörderinnen wurden …“

Ich hielt die Stuhllehne umklammert …

So fest, daß ich den Schmerz als Wohltat empfand …

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das Kreuz auf der Stirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Kreuz_auf_der_Stirn.pdf/47&oldid=- (Version vom 31.7.2018)