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der Absicht dieser so idealen Gesellen gelegen hätte, eines Tages die vollendetste reale Existenz zukommen sollte.

Das Prinzip der Relativität, über das ich Ihnen heute referieren will, ist ersonnen zur Erklärung dafür, daß alle Versuche, eine Bewegung der Erde relativ zum Lichtmedium, zum Äther, zu konstatieren, notwendig mißlingen müssen. Soweit bei den Experimenten nur Größen von der Ordnung des Quotienten der Geschwindigkeit der Erde im Sonnensystem und der Lichtgeschwindigkeit zur Beobachtung kommen sollten, ergibt sich die Unmöglichkeit, durch Versuche an der Erdoberfläche die Richtung der Erdbewegung festzustellen, schon bloß auf Grund des Umstandes, daß zur Vergleichung von Uhren an zwei Punkten notwendig Signale hin und zurück laufen müssen. Aber A. Michelson hatte 1881 einen Versuch angestellt (1887 mit Morley in größerem Maßstabe), der auf die Wahrnehmung einer Größe zweiter Ordnung in jenem Quotienten abzielte und ebenfalls ein negatives Ergebnis hatte. Zur Erklärung auch dieses negativen Resultates formulierte H. A. Lorentz (1892) und andererseits Fitz Gerald (1893) die Hypothese, daß infolge der Erdbewegung eine ganz bestimmte Kontraktion der Materie parallel der Erdbewegung statthätte. Aus dieser höchst seltsam klingenden Hypothese hat sich dann schließlich das Postulat der Relativität in einer Form herausentwickelt, die dem Verständnis des Mathematikers besonders gut zugänglich ist. Verdienste um die Ausarbeitung des allgemeinen Prinzips haben Einstein, Poincaré und Planck, über deren Arbeiten ich alsbald Näheres sagen werde.

Indem ich nun endlich zur eigentlichen Sache selbst komme, habe ich meine Ausführungen in vier Teile zu gliedern, die ich durch die Schlagworte: 1. Elektrizität, 2. Materie, 3. Dynamik, 4. Gravitation bezeichnen möchte.

1.

An erster Stelle handelt es sich um Konstatierung einer rein mathematischen Beziehung, nämlich eines gewissen formalen Charakters derjenigen Differentialgleichungen, welche Lorentz als Grundlage seiner Elektronentheorie nimmt und welche das Verhalten des elektromagnetischen Feldes im reinen Äther wie in dem von Elektrizität erfüllten unendlichen Raume regeln. Diese Grundgleichungen besitzen, außer daß sie natürlich von der Wahl eines rechtwinkligen Koordinatensystems

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Hermann Minkowski: Das Relativitätsprinzip. Leipzig: Johann Ambrosius Barth, 1915, Seite 928. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Relativit%C3%A4tsprinzip_(Minkowski).djvu/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)