Du meinst nicht den Genuß, du meinst die Freude;
und deine Braut soll werden: deine Scham.
Die große Lust hat auch nach dir Verlangen,
und alle Arme sind auf einmal nackt.
Auf frommen Bildern sind die bleichen Wangen
und deine Sinne sind wie viele Schlangen,
die, von des Tones Rot umfangen,
sich spannen in der Tamburine Takt.
Und plötzlich bist du ganz allein gelassen
und wenn dein Wille nicht ein Wunder tut:
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Aber da gehen wie durch dunkle Gassen
von Gott Gerüchte durch dein dunkles Blut.
An den jungen Bruder.
Dann bete du, wie es dich dieser lehrt,
der selber aus der Wirrnis wiederkehrt
und so, daß er zu heiligen Gestalten,
in einer Kirche und auf goldnen Smalten[1]
die Schönheit malte, und sie hielt ein Schwert.
Er lehrt dich sagen:
Du mein tiefer Sinn,
in meinem Blute sind so viel Geräusche,
ich aber weiß, daß ich aus Sehnsucht bin.
- ↑ Smalte (auch Schmalte, Schmelz, von ital. smalto, "Glasschmelz"): farbiges pulverisiertes Glas, das als Schmelzfarbe dient. Das grosse Kunstlexikon von P.W. Hartmann
Rainer Maria Rilke: Das Stundenbuch. Leipzig: Insel-Verlag. 1918, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Stundenbuch_(Rilke)_028.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)