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noch einige Minuten, bevor von dem Blockhause her sich der Chemiker näherte und dann seinen Gast nach herzlicher Begrüßung in das für Heinrich bestimmte Zimmer führte. Während der Junge hier seine wenigen Habseligkeiten in einen großen Schrank aus Fichtenholz einräumte, tat Seiffert mit einer gewissen Spannung, die er durchaus nicht zu verhehlen suchte, jene Frage, deren Beantwortung für ihn von so besonderer Wichtigkeit war. – „Hast Du die Papiere mitgebracht, kleiner Freund?“ sagte er, indem er das „die“ stärker betonte.

Heinrich nickte eifrig. „Gewiß, Herr Seiffert, gewiß. Ich vergaß es nur zu erwähnen.“

Der Chemiker wog das Päckchen nachdenklich in der Hand. „Wir wollen uns nochmals klar machen,“ meinte er langsam, „daß wir mit der Durchsicht dieser Schriftstücke, die wir uns heimlich verschafft haben, etwas tun, das gegen die gute Sitte und die Moral verstößt. Wenn ich nicht so überaus schwerwiegende Gründe für diesen Eingriff in fremdes Eigentum gehabt hätte, wäre ich niemals auf den Gedanken gekommen, Dich zur zeitweiligen Entwendung dieses Päckchens zu bestimmen, nachdem Du mir bereits vor einem Jahre anvertraut hattest, daß Dein Onkel sehr häufig in stillen Nachtstunden gerade diese Aufzeichnungen immer wieder aus ihrem Versteck hervorholte und durchsah, wobei er leise Selbstgespräche führte, von denen Du immerhin einiges verstehen konntest. Und gerade diese halblauten Reden des Steuermanns enthielten so seltsame Andeutungen, daß ich aufmerksam wurde, als Du mir gelegentlich davon erzähltest. – Ja – so war’s, und so ist es gekommen, daß wir beide, die wir doch sonst kaum Unrechtes begehen würden, etwas getan haben, das nur deshalb zu entschuldigen sein dürfte, weil wir dadurch ein paar Unglückliche zu retten hoffen. – Setz’ Dich dort in die Sofaecke, kleiner Freund, derweil ich hier am Tische das Päckchen näher untersuche. Ich werde Dir das Wichtigste aus dem Inhalte der Aufzeichnungen und sonstigen Papiere bei jedem einzelnen Stück gleich mitteilen[1].“




  1. Vorlage: miteilen
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W. Belka: Das Tagebuch des Steuermanns. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_des_Steuermanns.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)