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Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9)

„Sie vergessen, lieber Riedling,“ mahnte der ältere bedächtig, „daß Ihre Entdeckung auch für unseren – Bundesgenossen sehr bedenkliche Folgen haben könnte. Wenn es dem Joseph Meinert auch jahrelang geglückt ist, uns mit wertvollen Meldungen zu versehen, so – na, Sie kennen ja das alte Sprichwort vom Krug, der zu Wasser geht! – Und dieser letzte Gang wäre für den kleinen Mann der zum Galgen! Mit dem Hängen sind die braven Orientalen schnell bei der Hand.“

„Oh, der brave Jussuf ist schlau! Der zieht seinen großen Kopf schon wieder aus der Schlinge heraus!“ lachte der Steuermann still vor sich hin. „Der hat seine Brotherren schon ganz anders genasführt!“

Doch Wegener, der nur dem Namen nach Kapitän des „Kaiser Barbarossa“, in Wirklichkeit ein geheimer Agent Hollands war, das aus Handelsrücksichten das größte Interesse an einer Vermeidung weiterer politischer Verwicklungen hatte, schüttelte nur wieder warnend den Kopf. „Ich muß Ihnen ehrlich sagen, daß mir die Geschichte hier schon seit einigen Tagen nicht mehr ganz geheuer vorkommt. Uns wird jetzt von den türkischen Kriegschiffen höllisch scharf auf die Finger gesehen. Mir scheint, den Herren ist es doch etwas aufgefallen, daß unsere Reparatur am Steuer nun schon fast zwei Wochen dauert. Daß man uns gestern den Befehl gegeben hat, den Hafen bis auf weiteres nicht zu verlassen, ist für mich ein neuer Beweis, wie wenig der Kapudan-Bei an unsere Harmlosigkeit glauben will.“

Der Steuermann hatte sein Glas wieder an die Augen geführt und flüsterte jetzt schnell: „Da kommt eben das Boot zurück, das vor zwei Stunden von der ‚Alexandria‘ abstieß. Sehen Sie nur hin – mehr links! Es sind anscheinend dieselben sechs Personen darin.“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1908, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_eines_Irren.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)