Seite:Das Trinkgeld.pdf/20

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wenig zu thun, hat es allerdings an manchen Orten, wo diese Einrichtung der Zahlkellner besteht, bereits dahin gebracht, ein doppeltes Trinkgeld zu geben.

Also die persönliche Berührung mit C. ist die unerlässliche Voraussetzung, damit wir den Beutel ziehen. Aber auch da, wo sie vorliegt, thun wir es doch nicht schlechthin, selbst dann nicht, wenn die Leistung, der wir das Trinkgeld versagen, desselben in ungleich höherem Masse würdig wäre als diejenige, der wir dasselbe zuerkennen. Ein Postbote, der in grossen Städten wie ein gehetztes Wild den ganzen Tag Trepp auf Trepp ab läuft, bei Regen und Wind, Frost und Hitze sich abmühen muss, erhält für den Brief, den er überbringt, nichts, höchstens zu Neujahr ein Pauschquantum, das, wenn einmal die aufgewandte Mühe den Massstab des Trinkgeldes bilden soll, im schreienden Missverhältniss steht zu der Einnahme, welche der Oberkellner in grossen Gasthöfen aus den Trinkgeldern bezieht.

Damit haben wir den Grundzug geschildert, der das ganze Trinkgelderwesen in der hier in Rede stehenden Richtung charakterisirt: den der Inconsequenz und Willkür. Es ist der reine Zufall, der hier waltet; bald wird das Trinkgeld gewährt, bald, wo ganz dieselben Voraussetzungen vorliegen, ja wo sie noch in erhöhtem Masse vorhanden sind, wird es versagt; man muss sich

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)