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erzielenden Vortheile verzichten wollten, frei, sich desselben zu enthalten; seitdem die Gewohnheit Sitte geworden war, nicht mehr.

Wodurch ist dieser Umschwung bewirkt worden? Wiederum durch den Egoismus, nur dass es diesmal nicht der des Gebers, sondern des Nehmers war. Jener hat in diesem seinen Meister gefunden, letzterer hat das Werk würdig fortgesetzt, indem er jenem aus der Angelruthe, mit der er zu fischen gedachte, einen Strick drehte, an dem er ihn gefangen nahm. Kellner, Hausknechte, Wirthe haben die Einrichtung, die der Gast für sich ins Leben rief, ihrem Interesse dienstbar zu machen gewusst, sie haben die Hand, die sich ihnen entgegenstreckte, erfasst, um sie nicht mehr loszulassen.

Zuerst waren es die Kellner und Hausknechte, die sich derselben bemächtigten; was einst frei gegeben ward, beanspruchten sie fortan als schuldige Leistung. Und sie haben dafür gesorgt, ihrem Anspruch den nöthigen Nachdruck zu verleihen. Ich brauche die Mittel nicht namhaft zu machen, die ihnen zu dem Zweck zur Verfügung standen: sie beginnen mit der stummen, aber nicht misszuverstehenden Sprache der Höflichkeit und enden mit der offenen der Grobheit und Frechheit – wer kennte nicht diese Sprache des Gasthofspersonals? So ist denn das Trinkgeld in den Gasthöfen für Jeden, der sich nicht Unannehmlichkeiten

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Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)