Seite:Das Trinkgeld.pdf/37

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übermässig hoch oder billig ausgefallen ist. Kurz, Niemand, der sich auf Reisen begiebt, ist im Stande, schon bei sich zu Hause die Trinkgelderfrage durch Feststellung eines ein- für allemal bestimmten Satzes abzuthun.

So begleitet ihn denn die Trinkgelderfrage auf der ganzen Reise, sie haftet sich an jede Wirthshausrechnung, die er zu bezahlen hat, an jeden der vielen dienstbaren Geister, mit denen er im Gasthof in Berührung getreten ist – hier kaum abgemacht, taucht sie dort sofort von Neuem wieder auf. Ich kann mir eine angenehmere Reisebegleiterin denken! Ich meinerseits würde gern zu der Summe, die ich im Gesammtbetrage auf der Reise an Trinkgeldern zu verausgaben habe, noch ein Beträchtliches zulegen, wenn ich damit der widerwärtigen Bemessung desselben in jedem einzelnen Fall überhoben wäre.[1]

Unbestimmtheit also ist das Wesen des Trinkgeldes, unser x ist eine variable, stets im einzelnen Fall zu suchende und zu bestimmende Grösse, es ist das x der Arithmetik, die unbekannte Grösse, welche erst auf dem Wege der Berechnung gefunden werden muss, nur mit dem Unterschiede,

  1. Ein Freund von mir hat sich eine eigene „Aergerkasse“ für Reisen eingerichtet, die alle Ausgaben auf Reisen zu bestreiten hat, die ihn ärgern könnten. Die Aergerkasse nimmt ihm den Aerger ab, sie selber ärgert sich nur einmal, wenn sie gefüllt wird. Sie ist für die Trinkgelder wie gemacht.
Empfohlene Zitierweise:
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)