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XI.

Ich gehe zu der dritten Art des Trinkgeldes über: dem geselligen oder dem Domestikentrinkgeld.

An vielen Orten Deutschlands, man muss vielleicht sagen: an den meisten[1] ist es bekanntlich üblich, dass der Gast, der in einem Hause irgend etwas genossen hat, und wäre es auch nur eine Tasse schwachen Thees nebst Butterbrot, sich ebenso wenig ohne Trinkgeld verabschieden darf wie der Gast in einem öffentlichen Local. Regelmässig drückt er es dem Dienstmädchen, Bedienten, Lohndiener in die Hand, die zu dem Zweck auf dem Vorplatz warten; in Basel lernte ich (1845) die eigenthümliche Sitte kennen, dass es nach Beendigung des Mahles unter den Teller gelegt ward. Die Geschmacklosigkeit geht bei dieser Art des Trinkgeldes so weit, dass die Höhe desselben nach dem Werth des Genossenen bemessen wird: ein Souper wird höher bezahlt als Thee und Butterbrot, ein Diner höher als ein Souper; bei einem ungewöhnlich feinen Diner müsste consequenter Weise die Dankbarkeit des Magens in einem erhöhten, bei einem hinter den gerechten Erwartungen zurückgebliebenen umgekehrt

  1. Dass die Sitte keine ganz allgemeine ist, zeigt der Ort, an dem ich lebe (Göttingen), wo man dieselbe nicht kennt und einig darin ist, dieselbe nicht aufkommen zu lassen.
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Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)