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Da – was bedeutete das? – Wahrhaftig, das Boot wandte plötzlich und kehrte mit schnellen Ruderschlägen zu dem Wrack zurück.

„Begreifen Sie diese hastige Umkehr?“ meinte Heinz Gerster, das Fernglas absetzend.

Keine Antwort. Unwillkürlich blickte er auf seine Nachbarin. Weshalb schwieg sie so hartnäckig?

Doktor Gerster fuhr erschreckt zusammen. Ein Blick in Frau Kätis Gesicht klärte ihn auf – denn leichenblaß, die Augen halb geschlossen, lehnte sie schwer, wie mit einer Ohnmacht kämpfend, am Geländer des Steges.

„Käti – Käti, was haben Sie, was fehlt Ihnen?“

Ängstliche Sorge lag im Ton seiner Stimme. Und ganz unbewußt hatte er die vertraute Anrede gebraucht, zu der nichts, nichts ihn berechtigte, die im Gegenteil dieser Frau gegenüber nichts als eine Verletzung der schuldigen Achtung war.

Mit aller Kraft raffte sie sich auf. Und es gelang ihr wirklich, etwas wie ein Lächeln mühsam hervorzuquälen.

„Eine momentane Schwächeanwandlung – nichts weiter,“ sagte sie mit leisem Seufzer.

Er hatte vorhin, um sie zu stützen, die Hand um ihre Taille gelegt. So lehnten sie jetzt dicht aneinander, ganz dicht. Keines regte sich, keines sprach ein weiteres Wort. Und doch fühlten sie nur zu deutlich, wie ein Strom unaussprechlicher Seligkeit von Herz zu Herzen floß, wie ihre Pulse schneller und schneller jagten.

Der Augenblick, den sie beide nach diesen vier Wochen, die sie, nur auf sich angewiesen, in dem kleinen Fischerdorfe verlebt hatten, so sehr fürchteten, war da.

Endlich erwachte sie wie aus einem wunderbaren Traum. Ihre Augen füllten sich mit Tränen;

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)