Seite:Das graue Gespenst.pdf/35

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

„Nun denn: Die Wahrheit ist, daß das junge Mädchen der Frau Anton, ihrer ehemaligen Amme und späteren Vertrauten, kurz vor ihrem Verschwinden aus Danzig erzählt hat, daß ihr Vater ihr auf dem Sterbebett ein Geheimnis gebeichtet habe, welches so furchtbar gewesen sei, daß sie den mit so traurigen Erinnerungen zusammenhängenden Namen für alle Zeit von sich werfen wolle und in der Fremde unerkannt sich ein neues Leben aufzubauen gedenke.“

Schaper schloß in scharfem Nachdenken halb die Augen. Er wußte, was Markus Wendel seinem Kinde gebeichtet hatte. Der Schuldige war also tatsächlich nicht der ältere sondern der jüngere der Brüder gewesen.

„Herr Rat, das, was Sie mir soeben mitteilten, hat Ihnen die alte Frau berichtet, nicht wahr?“ fragte er jetzt.

„Ja. Und ich glaube kaum, daß bisher noch ein dritter davon etwas wußte. Die Anton ist mir zu Dank verpflichtet. Ich habe ihr den Platz im Altenheim besorgt, als es ihr sehr schlecht ging.“

„Den jetzigen Namen oder den neuen Aufenthaltsort Charlotte Wendels kennen Sie nicht?“ Der Detektiv beobachtete bei dieser Frage genau das Gesicht des vor ihm Sitzenden.

„Nein, wirklich nicht. Möglich, daß die Anton Bescheid weiß. Es ist aber schwer etwas aus ihr herauszulocken, wenn sie nicht sprechen will.“ –

Schaper verabschiedete sich. Der Steuerrat geleitete ihn noch bis in den Flur hinaus, wo sich die Herren mit freundlichem Händedruck trennten.




Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/35&oldid=- (Version vom 31.7.2018)