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in die Mönchsabtei aufgetaucht oder schon vordem gesehen worden?“

„Am besten, ich erzähle Ihnen im Zusammenhang, was ich darüber weiß, Herr Schaper. – Ich kaufte das alte Klostergrundstück vor sechs Jahren. Daß die Leute schon immer erzählten, daß es dort umgehe, störte mich nicht. Schon als Kind – ich bin geborener Gaubener – kannte ich die Geschichte des Abtes, der in seinem Grabe in der Lebensbaum-Allee keine Ruhe finden soll und der von Zeit zu Zeit zu nächtlicher Stunde, gehüllt in ein graues, schleppendes Gewand, durch den Garten wandelt.

Als Herr Müller dann vor etwa einem halben Jahre nach Gauben kam, sagte ich ihm ehrlich die Wahrheit, weswegen das alte Gebäude bisher leer gestanden habe. Er lächelte sehr überlegen und … zog ein. Bald darauf ließ er mich durch seinen Diener nach der Abtei bitten und erzählte mir, auf welche Weise er sich überzeugt habe, daß das Gespenst wirklich vorhanden sei.“

„Das hat er mir geschrieben,“ unterbrach Schaper ihn hier. „Bitte schildern Sie mir nun, was Sie selbst gesehen haben.“

„Ja – ich habe die Erscheinung geschaut. Auf meine Augen kann ich mich verlassen,“ meinte Wernicke mit Nachdruck. „Ich hatte mit Herrn Müller verabredet, daß ich gelegentlich zu ihm kommen wolle, damit wir gemeinsam im Garten aufpassen könnten. Es war am 28. Mai. Das Datum werde ich so leicht nicht vergessen. Gegen 9 Uhr abends wanderte ich nach der Abtei hinaus. Ich traf es insofern schlecht an, als der Diener Hartung mit einem Erkältungsfieber zu Bett lag. Der Kranke, den ich ebenfalls begrüßen ging, wollte nun durchaus aufstehen, um sich bei der Wache beteiligen zu können. Aber Müller ließ das nicht zu. Und so mußten wir beide allein

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)