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Sie sich auf der Reise recht vorsichtig. Alles Nähere erfahren Sie mündlich. Bringen Sie sämtliche Papiere mit, die zu Ihrer Legitimation dienen können.

Th. Morrisson,
Erster Sekretär der Geheimabteilung.“
***

Wenige Minuten später stand Rita – oder besser Charlotte Wendel, wie wir das junge Mädchen jetzt nennen wollen, Frau Käti Deprouval gegenüber.

Diese saß mit von Weinen geröteten Augen in der von Blumen aller Art bestellten Fensterecke ihres kleinen Salons. In ihrem Schoß lag ein Brief, dessen Schrift die niederfallenden Tränentropfen hie und da halb verlöscht hatten.

Charlotte Wendel entging dies alles in ihrer großen Aufregung. Erst stockend, dann fließender beichtete sie dieser Frau, die ihr mehr Freundin als Brotherrin war, das Geheimnis ihres Lebens, sprach von ihrer Familie, von dem Tode ihres Vaters, von dessen Geständnis auf dem Sterbebett und schließlich auch von ihrem Entschluß ihren Namen zu wechseln und fortan den einer ihr selbst unbekannten Rita Meinas zu führen, deren Papiere sie im Schreibtisch ihres Vaters gefunden hatte. Und dann zeigte sie der erstaunt zuhörenden Frau Deprouval den heute erhaltenen Brief und gab ihn ihr zu lesen.

„Sie sehen,“ sagte sie in ihrer schlichten Art, „daß ich unbegrenztes Vertrauen nicht nur in Ihre Großherzigkeit habe, die es mir nicht nachtragen wird, daß ich unter einem angenommenen Namen in Ihr Haus gekommen bin, sondern auch in Ihre Verschwiegenheit, die ich vorläufig in dieser seltsamen Erbschaftsgeschichte bewahrt sehen möchte.“

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/47&oldid=- (Version vom 25.7.2016)