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Am nächsten Morgen suchte er dann seinem Plane gemäß den Portier des Hauses Aspernstraße 19 auf. Dieser, ein behäbiger Pfälzer, ließ sich mit spielender Leichtigkeit ausholen.

Ja, die Anna, die bei der Frau Deprouval seit zwei Jahren als „Mädchen für alles“ diene, habe natürlich einen Schatz. Mit dem habe er sich schon so manches Mal unterhalten. Freilich, wo der wohne, wisse er nicht, nur daß er Schlosser sei und eine feste Anstellung in der Elektrizitätszentrale habe. – Der Name? Hm, er wolle sich mal besinnen. – Richtig – Alois Pilcherer.

Mehr brauchte Hiller, der dem Portier ein wunderbares Märchen aufgebunden hatte, um ihn gesprächig zu machen, nicht zu wissen. Auf dem Einwohnermeldeamt erfuhr er ja alles Weitere. –

Alois Pilcherer, ein waschechter Bayer, gemütlich, wenn er nüchtern war, grob und händelsüchtig nach dem sechsten Liter, konnte sich zunächst gar nicht von seinem Staunen erholen, als er abends um sieben in seinem Kämmerchen, das er bei der Witwe Aschbauer allein bewohnte, den Besuch eines elegant gekleideten Fremden erhielt, der ihn in höchst verdächtiger Weise in reinstem Hochdeutsch anredete.

„Herr Pilcherer, nicht wahr?“ fragte Hiller, indem er nach dem lauten „Herein,“ ungeniert in die kleine Dachkammer trat.

Der Schlossergeselle nickte nur.

Der Detektiv stellte sich ihm als Fachkollege, als Maschinenschlosser, vor, der hier in München Arbeit suche, und in der kleinen Kneipe an der nächsten Ecke spielte sich dann der zweite Akt der Komödie ab, bei der der brave Alois doch schließlich der Geleimte war. Da es Hiller nach sehr kurzer Zeit gelang zu erfahren, daß sich Pilchrers Braut mit ihrer Herrschaft in Karlsbad befand.

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/72&oldid=- (Version vom 26.7.2016)