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„Das ist leider schon wieder vergeben,“ meinte die Pensionsinhaberin kühl.

„Vielleicht könnte ich es trotzdem sehen. – Wer wohnt denn dort?“

„Ein Offizier. – Aber ich möchte doch bitten, daß Sie meine Gäste nicht stören. Ihr Verlangen geht wirklich zu weit,“ sagte die Dame etwas ungeduldig.

Schaper war so leicht nicht abzuschütteln. „Sie wissen nicht, gnädige Frau, was bei der Untersuchung, die ich führe, alles auf dem Spiel steht,“ erklärte er ernst. „Mit dem Offizier werde ich mich schon auseinandersetzen.“ –

Der Oberleutnant, ein Feldartillerist, der zu der Hochzeit eines Freundes von Stettin herübergekommen war, saß gerade beim Morgenkaffee. Schaper stellte sich vor und brachte dann seine Bitte an.

„Aber gewiß gestatte ich das,“ meinte der Oberleutnant liebenswürdig. „Bitte – das Zimmer steht Ihnen zur Verfügung.“

Wieder begann dieses peinlich genaue Absuchen. Der kaminartige Ofen, die Fächer des Schreibtisches, des Waschtisches, die Schreibunterlage, der Papierkorb – nichts blieb verschont. Wieder vergeblich. Schon wollte Schaper sich verabschieden, als der Offizier, der den Detektiv mit leicht begreiflichem Interesse beobachtet hatte, etwas von oben herab sagte:

„Als Sie vorhin den leeren Papierkorb aufhoben und hineinschauten, flatterte ein Schnitzel unter den Sessel da –“

Schon hatte Schaper das Papierstückchen in der Hand. Es war der obere Teil eines Briefumschlages mit der halben, entwerteten Marke. Und auf dieser, mitten durchgerissenen, Marke war noch deutlich der Absendeort des Stempels zu lesen.

Dem Detektiv gab es einen förmlichen Ruck durch den Körper.

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/76&oldid=- (Version vom 26.7.2016)