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Veranlassung zur Arbeit und gewerblichen Thätigkeit, die gewaltigste Anstrengung.“

Arbeitet, arbeitet, Proletarier, vermehrt den Nationalreichthum und damit euer persönliches Elend. Arbeitet, um, immer ärmer geworden, noch mehr Ursache zu haben, zu arbeiten und elend zu sein. Das ist das unerbittliche Gesetz der kapitalistischen Produktion.

Dadurch, daß die Arbeiter den trügerischen Redensarten der Oekonomen Glauben schenken und Leib und Seele dem Dämon Arbeit verschreiben, tragen sie selbst zu jenen industriellen Krisen bei, wo die Ueberproduktion den gesellschaftlichen Organismus in krampfhafte Zuckungen versetzt. Dann werden wegen Ueberfluß an Waaren und Mangel an Abnehmern die Fabriken geschlossen, und mit tausendsträhniger Geißel peitscht der Hunger die Arbeiterbevölkerung. Bethört von dem Dogma von der Arbeit sehen die Proletarier nicht ein, daß die Mehrarbeit, der sie sich in der angeblich guten Geschäftszeit unterzogen haben, die Ursache ihres jetzigen Elends ist, und anstatt vor die Getreidespeicher zu marschiren und zu erklären: „Wir haben Hunger, wir wollen essen! .. Allerdings haben wir keinen rothen Heller, aber ob wir auch Habenichtse sind, wir sind es gewesen, die das Korn eingebracht haben“ – – – anstatt die Lagerhäuser der Heimendahl, der Dannenberg, der Reichenheim u. s. w. zu belagern und zu rufen: Hier, ihr Herren, sind eure Hasplerinnen, Zwirnerinnen, Spinnerinnen und Weberinnen, sie zittern vor Kälte in ihren gestickten Kattunlappen, daß ein Jude darüber Thränen vergießen könnte, und doch sind sie es, welche die seidenen Roben der Maitressen der gesammten Christenheit gesponnen und gewebt haben. Die Aermsten konnten bei dreizehnstündiger Arbeit nicht an ihre Toilette denken, jetzt müssen sie feiern und haben daher Zeit, in der Seide, die sie verfertigt, selbst einherzurauschen. Seit sie die ersten Zähne gewechselt, haben sie für Euch Reichthümer geschaffen und selbst dabei gedarbt, jetzt haben sie Pause und wollen daher auch ein wenig von den Früchten ihrer Arbeit genießen. Hierher, Herr Herzog, Ihre Seidenwaaren her: Herr Dannenberg wird seine Mousseline auspacken, Herr Lehmann seine Phantasieartikel, Herr Rosenfeld seine schönen Stiefeletten für ihre kalten und feuchten Füßchen! – – Von Kopf bis zu den Füßen eingekleidet, und ausgelassen vor Freude, werden sie Euch einen Anblick gewähren, wie Ihr ihn nicht besser wünschen könnt. Nur keine Ausflucht, – Ihr seid ja doch Christen und Menschenfreunde wie sie im Buche stehen? Stellt Euren Arbeiterinnen die Vermögen zur Verfügung, die sie für Euch an ihrem eigenen Leibe abgedarbt haben. Ihr seid Freunde des Handels? – Befördert den Waarenumsatz; hier habt ihr Konsumenten wie gerufen; eröffnet ihnen unbegrenzten Kredit. Ihr müßt dies ja gegenüber von Geschäftsleuten thun, die Ihr zeitlebens nicht gesehen, die Euch absolut nichts geschenkt haben, auch nicht einen Tropfen Wasser!

Statt in den Zeiten der Krisis eine Vertheilung der Produkte und allgemeine Erholung zu verlangen, rennen sich die Arbeiter vor den Thüren der Fabriken die Köpfe ein. Mit eingefallenen Wangen, abgemagertem Körper, überlaufen sie die Fabrikanten mit kläglichen Ansprachen: „Lieber Herr Stumm, bester Herr Berger, geben Sie uns doch Arbeit, es ist nicht der Hunger, der uns plagt, sondern nur die

Empfohlene Zitierweise:
Paul Lafargue (übersetzt von Eduard Bernstein): Das Recht auf Faulheit. Schweizerische Genossenschaftsbuchdruckerei, Hottingen-Zürich 1884, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_recht_auf_faulheit-lafargue-1884.pdf/14&oldid=- (Version vom 11.6.2017)