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Die alten Philosophen stritten sich über den Ursprung der Ideen, aber sie waren einig, wenn es galt, die Arbeit zu perhorresziren. „Die Natur,“ schreibt Plato in seiner Gesellschafts-Utopie, in seiner „Musterrepublik“, „die Natur hat weder Schuhmacher noch Schmiede geschaffen; solche Beschäftigungen entwürdigen die Leute, die sie ausüben: niedrige Lohnarbeiter, Elende ohne Namen, die durch ihren Stand bereits von den politischen Rechten ausgeschlossen sind. Was die Händler betrifft, die an Lügen und Betrügen gewohnt sind, so wird man sie in der Gemeinde nur als ein notwendiges Uebel betrachten. Der Bürger, der sich durch Handelsgeschäfte erniedrigt, soll für dieses Vergehen bestraft werden. Wird er überführt, so soll er zu einem Jahre Gefängniß verurtheilt werden. Bei jedem Rückfall ist die Strafe zu verdoppeln.“ (Plato, Die Republik, Buch 5.)

In seiner Oekonomik schreibt Xenophon: „Die Leute, die sich mit Handarbeit abgeben, werden nie zu höheren Posten erhoben, und man hat Recht. Gezwungen, den ganzen Tag zu sitzen, einige sogar ein beständiges Feuer auszuhalten, werden die meisten von ihnen es nicht verhindern können, daß ihr Körper sich verunstaltet, und es ist kaum möglich, daß das nicht auch auf den Geist zurückwirkt.“

„Was kann aus einem Laden Ehrenhaftes kommen?“ erklärt Cicero, „und was kann der Handel Ehrenvolles hervorbringen? Alles, was Laden heißt, ist eines ehrenhaften Mannes unwürdig. … da die Kaufleute, ohne zu lügen, nichts verdienen können; und was ist schändlicher als die Lüge? Deshalb muß das Gewerbe Derer, die ihre Mühe und Geschicklichkeit verkaufen, als niedrig und gemein betrachtet werden, denn wer seine Arbeit für Geld hergibt, verkauft sich selbst und stellt sich auf eine Stufe mit den Sklaven.“ (Cicero, Von den Pflichten I , Tit 8, Kap. 18.) –

Proletarier, die man durch das Dogma von der Arbeit verdummt hat, hört Ihr die Sprache dieser Philosophen, die man Euch mit eifersüchtiger Sorge verbirgt? Ein Bürger, der seine Arbeit für Geld hergibt, erniedrigt sich zum Rang eines Sklaven; er begeht ein Verbrechen, das jahrelanges Gefängniß verdient!!

Die christliche Heuchelei und der kapitalistische Militarismus (Nützlichkeitslehre) hatten diese Philosophen des Alterthums noch nicht verdorben; da sie für freie Männer lehrten, so sprachen sie unbefangen ihre Gedanken aus. Plato und Aristoteles, diese Riesendenker, denen unsere Modephilosophen, und wenn sie sich auf die Fußspitzen stellen, noch nicht bis an die Knöchel reichen, wollten, daß die Bürger ihrer Idealrepubliken der größten Muße genössen, denn, setzte Xenophon hinzu, „die Arbeit nimmt die ganze Zeit in Anspruch und bei ihr hat man keine Zeit für die Republik und seine Freunde.“ Nach Plutarch hatte Lykurg, „der weiseste aller Menschen“, deshalb den großen Anspruch auf die Bewunderung der Nachwelt, weil er den Bürgern der Republik Muße zusprach, indem er ihnen die Ausübung irgend eines Handwerks untersagte.[1]

Aber, werden die Treitschke, die Windthorst, die Wagner der christlichen und der kapitalistischen Moral antworten, diese Denker,

Empfohlene Zitierweise:
Paul Lafargue (übersetzt von Eduard Bernstein): Das Recht auf Faulheit. Schweizerische Genossenschaftsbuchdruckerei, Hottingen-Zürich 1884, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_recht_auf_faulheit-lafargue-1884.pdf/29&oldid=- (Version vom 4.6.2018)
  1. Plato: Die Republik V, Die Gesetze VIII; Aristoteles: Politik II und VII; Xenophon: Oekonomik IV und VI; Plutarch: Das Leben Lykurgs.