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diese Philosophen predigten die Sklaverei! Ganz richtig, aber konnte es unter den wirthschaftlichen und politischen Verhältnissen ihrer Epoche anders sein? Der Krieg war der normale Zustand der antiken Gesellschaften; der freie Mann mußte seine Zeit der Berathung der Gesetze und der Sorge für die Vertheidigung des Staates widmen; das Handwerk war damals zu unentwickelt und zu hart, als daß man neben seiner Ausübung seinem Beruf als Bürger und Soldat hätte nachgehen können; um Krieger und freie Bürger zu haben, mußten die Philosophen und Gesetzgeber in ihren heroischen Republiken Sklaven dulden.

Aber predigen nicht die Moralisten und Oekonomen des Kapitalismus die moderne Sklaverei, das Lohnsystem? Und was sind es für Leute, denen der kapitalistische Sklave Muße verschafft? Die Rothschild, die Bleichröder, die Stumm – unnütze und schädliche Schmarotzer, Sklaven ihrer Laster und Bedienten. „Das Vorurtheil der Sklaverei beherrschte den Geist von Aristoteles und Pythagoras,“ hat man verächtlich geschrieben, und doch träumte Aristoteles: „Wenn jedes Werkzeug auf Geheiß oder auch vorausahnend, das ihm zukommende Werk verrichten könnte, wie des Dädalus Kunstwerke sich von selbst bewegten, oder die Dreifüße des Hephästus aus eigenem Antrieb an die heilige Arbeit gingen, wenn so die Webeschiffe von selbst webten, so bedürfte es weder für den Werkmeister der Gehilfen, noch für die Herren der Sklaven.“[1] Der Traum des Aristoteles ist heute Wirklichkeit geworden. Unsere Maschinen verrichten, feurigen Athems, mit stählernen, unermüdlichen Gliedern, mit wunderbarer, unerschöpflicher Zeugungskraft, gelehrig und von selbst ihre heilige Arbelt, und doch bleibt der Geist der großen Philosophen des Kapitalismus nach wie vor beherrscht vom Vorurtheil des Lohnsystems, der schlimmsten aller Sklavereien. Sie begreifen noch nicht, daß die Maschine der Erlöser der Menschheit ist, der Gott, der den Menschen von den „sordidae artes“ und der Lohnarbeit loskaufen, der Gott, der ihnen Muße und Freiheit bringen wird.

  1. „Die Heiden, ja die Heiden!“ Sie begriffen, wie der gescheidte Bastiat entdeckt hat und vor ihm schon der noch klügere MacCulloch, nichts von politischer Oekonomie und Christenthum. Sie begriffen u. A. nicht, daß die Maschine das probateste Mittel zur Verlängerung des Arbeitstages ist. Sie entschuldigten etwa die Sklaverei des Einen als Mittel zur vollen menschlichen Entwicklung des Andern. Aber Sklaverei der Massen predigen, um einige rohe oder halbgebildete Emporkömmlinge zu „eminent spinners“, „extensive sausage makers“ und „influential shoe blak dealers“ („Hervorragenden Spinnern“, „Wurstgroßfabrikanten“, „einflußreichen Schuhwichshändlern“) zu machen, dazu fehlte ihnen das spezifisch-christliche Organ.“ (Marx, Das Kapital. 2. Auflage. S. 428.)
Empfohlene Zitierweise:
Paul Lafargue (übersetzt von Eduard Bernstein): Das Recht auf Faulheit. Schweizerische Genossenschaftsbuchdruckerei, Hottingen-Zürich 1884, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_recht_auf_faulheit-lafargue-1884.pdf/30&oldid=- (Version vom 4.6.2018)