Ich nehme die zweite Zigarre. Sie brennt nicht, hat Nebenluft … Ich drücke den Stummel auf dem Fußboden aus. Und sitze und horche, kämpfe gegen die Müdigkeit. Die Tür zum Deck ist offen. Ganz selten der ferne Schrei einer Möve … Einziges Lebenszeichen von draußen.
Die Müdigkeit steigert sich …
Ich schrecke auf … War ich wirklich für Sekunden eingenickt?!
Meine Sinne sind wieder wach.
Merkwürdiger Geruch, der mir da in die Nase dringt …
Gestank …
So stinken Fischer in ihrem Arbeitshabit … So stanken die Eskimos von Labrador, die ich auf meiner einzigen Fahrt ins Eismeer kennenlernte …
Eskimos … hier?! – Nein – aber Feuerländer … Eingeborene, die hier wie Eskimos leben, in Robbenfellen, die Tran saufen, Robbenfleisch fressen …
Mein Hirn sprüht Gedanken …
Meine Hand gleitet unter das Kissen zur Pistole …
Ich schiebe die Sicherung zurück …
Der Gestank wird noch aufdringlicher …
Ich strecke die Waffe vor …
Der Lauf berührt etwas – etwas, das zurückweicht, etwas das nicht vorhanden sein dürfte …
Knall … Schrei … Krachen eines umsinkenden Körpers …
Geräusche …
Im matten Lichtschimmer auf der Treppe eine Gestalt, nach oben flüchtend …
Dicht an meinem Kopf saust etwas vorbei, fährt in die Wand mit hohlem Ton …
Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/151&oldid=- (Version vom 31.7.2018)