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weckte und meine geteilte Persönlichkeit jäh wieder zusammenschmolz. Ich war Olaf Abelsen, und ich sah, fühlte, hörte, schmeckte.

Ich sah die mächtige Eisenkugel, die dort im Wellentale davontaumelte – eine Mine … Sie hatte mir den Schlag versetzt.

Ich fühlte die stechenden Schmerzen in der getroffenen Schulter, hörte das Toben des Meeres ringsum und schmeckte den bitteren Salzgeschmack der erbarmungslosen Ostsee auf meiner Zunge.

Ich erbrach mich … Ich kämpfte gegen eine Ohnmacht … Mir wurde noch heißer … Ich konnte Arme und Beine wieder bewegen … Auch meine Halsmuskeln hatten wieder Spannkraft gewonnen. Mein Kopf war kein Kürbis mehr, der mir lediglich an einem halb verfaulten weichen Stiel zwischen den Schultern baumelte. Ich schaute mich um. Ich wurde gerade von einem Wellenberg emporgetragen, und erspähte so links von mir einen dunklen Fleck, der in seinen verwischten Umrissen immerhin dem Bug eines kleineren Dampfers glich. Es war ein Dampfer. Wenn er diesen Kurs beibehielt, war er verloren und ich ebenfalls, denn er mußte gerade auf die treibende Mine aufrennen. Ich wollte brüllen, rufen. Eine Welle füllte mir den Mund. Ich spuckte, spuckte. Da schwenkte der Dampfer scharf nach Norden ab. Ich sah, daß offenbar die ganze Besatzung vorn am Bug versammelt war und sich wie eine Rotte Tollhäusler benahm. Die meisten hatten Stangen in den Händen, mit denen sie andauernd hinab in die Wogen stießen. Es war nur ein kleiner Frachtdampfer, und am Heck wehte eine Flagge, die ich schon als Kind gehaßt hatte, als ich noch am Hafen in Göteborg unter

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Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/26&oldid=- (Version vom 31.7.2018)