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Garten begegnet. Einer meiner Kollegen vom Jungfrau-Tunnelbau, ein Belgier, hieß bei uns der Einsiedler. Er hatte sich ein Felsloch als Behausung eingerichtet, das er nur mit Hilfe eines zwanzig Meter langen Taus erreichen oder verlassen konnte. Niemals gestattete er einem von uns, dies Eremitenheim zu betreten, das freilich mit allen Schikanen eingerichtet war: Ofen, elektrischer Beleuchtung, Bad, Radio, Telephon und so weiter. Der Mann war jung, verschlossen und doch heiterer Natur, hielt sich von uns fern und war in seinem Bestreben, seine Höhle vor jedem Fremden zu versperren, geradezu unhöflich. Erst nach fünf Monaten kam sein Geheimnis an den Tag: Er war jung verheiratet, hatte eine bildschöne Frau, die ihn dann in der Grotte mit einem prächtigen Knäblein beschenkte. Und die ganzen Monate über hatte er sein Weib dort in der Höhle vor uns versteckt gehalten, bis er eben einen Arzt, einen Geburtshelfer brauchte. Übrigens verblieb die Frau noch weitere zwei Monate in dieser Eremitage, von der sie nachher strahlend behauptete, sie habe dort die glücklichsten Stunden ihres Lebens verbracht. – In Sydney in Australien wieder war ich beim Bau des neuen Hauptbahnhofs mit beschäftigt. Einer unserer europäischen Arbeiter fiel mir sehr bald durch sein Benehmen und seine tadellosen Umgangsformen auf. Nachher brachte ein Zufall an den Tag, daß der Betreffende der jüngste Sohn des englischen Herzogs von G. war, der infolge einer Wette den schlichten Nieter spielte. Seine Nieten „rissen“ nie. Er verstand seine Sache. Den erarbeiteten Lohn verteilte er unter seine Kollegen, denn er selbst wurde auf etwa eine halbe Million Pfund

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Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)