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von Holger Jörnsen so dicht bevorstand, sträubte sich irgend etwas in meinem Innern gegen diese Art des Auseinandergehens – irgend etwas, das ich selbst nicht klar ergründen konnte. Zweifel kamen mir, ob ich die Dinge meinerseits nicht allzu sehr auf die Spitze getrieben hätte, Zweifel auch darüber, ob Jörnsen wirklich in der verflossenen Nacht mich niedergeknallt haben würde, ob er nicht vielleicht mich gar geblufft haben könnte. Ich wurde aus seinem Verhalten nicht klug. Es erschien mir widerspruchsvoll und dunkel wie seine ganze Persönlichkeit, zu der mich trotz allem etwas wie Sympathie hinzog.

Ich erhob mich leise, schlüpfte nur in die Leinenbeinkleider und schlich an Deck …

Es war leer … Der Himmel wolkenbedeckt. Die Luft dick und schwer, übersättigt mit Elektrizität … Die Lichter des Städtchens und der ankernden Schiffe schimmerten wie durch feinen Nebel hindurch. Still lag der Kutter. Selten knarrten oder klirrten die Ankerketten … – Ich hatte mich auf die kleine Ankerwinde gesetzt. Ich war enttäuscht. Wenn Jörnsen an Deck gewesen wäre, würde ich zu ihm gegangen sein und hätte ein offenes Wort mit ihm gesprochen. Er war doch ein gebildeter Mensch wie ich … Sollte es denn wirklich zwischen uns keinen Weg der Verständigung geben?!

Verständigung …

Es wäre ein alltäglicher Weg gewesen. Und das Schicksal hatte mich nun einmal aus der Alltagsbahn gedrängt – immer mehr … Es war so.

Ich blickte von meinem erhöhten Sitz über die Reling hinweg auf die dunkle Flut. Kein

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Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)