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Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309

Ansinnen gestellt wurde, ihn gegen die Versicherung, daß dadurch ihren Rechten kein Eintrag geschehen solle, an Württemberg auszuliefern. Einen entsprechenden Revers sollten die Schorndorfer Amtleute nach Eßlingen schicken und den Tag der Auslieferung bereden. Aber auch aus Eßlingen entkam Wolleber; er tauchte bald nachher in Wiesensteig auf. Die Regierung entschloß sich, ihm, da man seiner im Herzogtum gar nicht bedürftig sei, die Auswanderung mit Weib und Kindern zu erlauben, aber den Verkauf seiner Güter zu untersagen und ihm nur die Erträgnisse derselben zukommen zu lassen. Darauf ließ sich die Frau nicht ein: Kinder habe sie keine, und ihr Besitztum verlasse sie nicht. Überdem verfiel die Frau in schwere Krankheit, so daß dem Mann 2 bis 3 Tage freies Geleit zugesichert wurde, um sie zu besuchen. Wieder und wieder bat Wolleber um Gnade; es blieb bei dem Bescheid, daß er sich zuerst stellen solle.

Nun versuchte er auf andere Weise, den Herzog umzustimmen. Im Collegium illustre zu Tübingen hielt sich der Erbprinz Johann Friedrich auf. Ihm schickte er einen großen Stammbaum der Fürsten von Anhalt, denen seine Mutter zugehörte, und erbot sich, die Geschichte, Brustbilder und Wappen dazu zu liefern. Zum Vermittler wählte er Martin Crusius, der sich sofort nach Empfang in das Kollegium begab und dem Präzeptor des Prinzen, M. Michael Beringer, den Stammbaum samt einem Begleitschreiben übergab. Dieser öffnete sie, und er wie Crusius bewunderten die fleißige und elegante Tafel. Auch der Prinz hatte seine Freude daran, lud den Professor auf 5 Uhr zum Essen und schenkte der Frau, die die Sendung nach Tübingen gebracht hatte, einen Gulden. Der Stammbaum werde den herzoglichen Eltern nach Stuttgart geschickt, von dort werde Wolleber belohnt werden. Aber Oswald Gabelkover, der wieder zu Rat gezogen wurde, meinte, das Zeug sei ja doch alles abgeschrieben, und es sei eine Frechheit, es entgegen dem alten Schreibverbot einzuschicken.

In dem Begleitschreiben an den Prinzen und in einigen andern Schreiben aus dem August 1597 nennt sich Wolleber einen publicus notarius. Vielleicht hat ihm ein kaiserlicher Hofpfalzgraf die Rechte eines öffentlichen Notars verliehen, vielleicht hat er sie sich auch angemaßt[1].

Ehe in Stuttgart die Sache entschieden wurde, fiel Wolleber einem Raubmord zum Opfer. Am 8. September 1597 besorgte er in Eßlingen


  1. Nicht ganz ausgeschlossen dürfte eine, wenn auch nicht unmittelbare, Entlehnung aus Nauclers Chronica (Köln 1579) sein, wo Männer des Altertums, die geschichtliche Aufzeichnungen hinterlassen haben, als publici notarii rerum gestarum et temporum bezeichnet werden (Einleitung A 4v).
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Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309. Kohlhammer, Stuttgart 1911, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Wolleber_-_ein_Bild_aus_den_Anf%C3%A4ngen_der_w%C3%BCrttembergischen_Geschichtschreibung.djvu/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)