Seite:De Alemannia II 164.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ferne gegen die Niederung des Rheinthals sehen können. Er mag ungefähr 3000 Fuss über der Meeresfläche liegen. Ob seine Tiefe je gemessen worden, kann ich nicht angeben. Wie sich im festen Gebirg ein Trichter senkrecht hinab in’s Unendliche ziehen soll, ist nicht wohl zu begreiffen. Der Blautopf bei Blaubeuren, der gerade so in der Ecke des Gebirges, nur aber im Thal ligt, galt Jahrhunderte lang ebenfalls für unergründlich. Die Leute trugen sich mit der Sage, man habe einst ein Seil, dreimal um das Städtchen langend, mit einem grossen Stein beschwert in den Kessel hinabgelassen, und keinen Grund gefunden. Zwei Messungen, die lezte von 1783, ergaben eine Tiefe von – 63 Fuss.

6 Der freundliche Pfarrherr in Simmersfeld hatte uns gestern von seiner im Jahr 1823 in diese Gegend gemachten Reise Folgendes erzählt. In der Leinmiss, einer über der Zwickgabel ligenden Häusergruppe, habe er den 81jährigen Jakob Schmieder, der bei fünfzig Jahren mit seinem nicht viel jüngern Eheweib in dieser Waldeinsamkeit hause, besucht und durch Wein gesprächig gemacht, wo dann derselbe manches Mährchenhafte, mit was sich die Leute zu unterhalten pflegten, vorgebracht. Unter Anderm: Der wilde See sey unergründlich – (er ligt zwei Stunden südöstlich vom Mummelsee, ist die Quelle der Schönmünzach, und bei der von einem Herzog befohlenen Messung 60 Fuss tief erfunden worden;) – ob sich Seeweiblein (Mümmelchen) drin aufhalten, wisse er nicht. Dass nach Röthenberg, seinem Geburtsort, vordem zwei Erdmännlein gekommen, habe ihm sein Vater hundertmal erzählt. – Bei dergleichen Sagen bleibt immer problematisch, wann das Ereigniss denn eigentlich sich zugetragen; die Alten erzählen es den Jungen, als wäre es noch bei ihrem Denken gewesen, ob sie es gleich auch nur aus der Erzählung ihrer Aeltern etc. haben; so bleibt eine Geschichte leicht ein Jahrtausend frisch. –

Sie haben sich stets als wolthätige Geister erzeigt, den Bauern ihr Vieh gefüttert (versteht sich mit keinem gewöhnlichen Futter) und es immer reinlich und glänzend erhalten, so dass den Leuten nichts zu thun übrig geblieben, als es zu tränken. Mitunter, wiewol selten, habe Jemand die hülfreichen Wesen erblickt. Ihr Essen musste man an einen bestimmten Ort hinstellen; diess verzehrten sie und entfernten sich wieder. Sobald man es ihnen nicht recht gegeben, oder Etwas davon genommen, oder sich in ihr Geschäft gelegt habe, seien sie ausgebliben.

7 »In Hutzenbach im Murgthal« – habe der Alte erzählend fortgefahren, und bei solchen einsam wohnenden Leuten hat die mährchenhafte Ueberlieferung schon darum mit der wahren Geschichte gleiches Recht, weil sie poetisch schön und ihrer Einbildungskraft als Stellvertreter der Lektüre nothwendig ist – »in Hutzenbach hat sich, wie ich von alten Leuten daselbst nicht nur Einmal vernommen, folgendes merkwürdige Ereigniss begeben. In

Empfohlene Zitierweise:
Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia II. Marcus, Bonn 1875, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_II_164.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)