Seite:De Alemannia II 165.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

dem Gebirg über dem Dorf ein See, der Hutzenbacher-See genannt, aus welchem ein Seemännlein und Weiblein oftmals in’s besagte Dorf auf Besuch gekommen, so dass man ihre Erscheinung, gleich als wären es Wesen unsers Gleichen, nach und nach gewohnt worden. Als nun eines Tages in dem nicht weit entfernten Dorf Schwarzenberg – (wahrscheinlich in der Sonne, wo wir von gestern auf heute über Nacht gelegen) eine Hochzeit gewesen, haben zwei Töchter dieses Wasser-Ehepaars Lust bekommen, dabei zu erscheinen und desshalb ihre Aeltern gebeten, dahin zum Tanz gehen zu dürfen. Den ledigen Purschen, welche sonst diese sonderbaren Wesen doch mit ein wenig Grauen angeschaut, ist durch Wein und Freude das Herz gegen sie aufgegangen, und wenn sie ihnen so als Tänzer nahe kamen und in’s Auge sahen, so war ihr Blick ganz anders und viel leuchtender, als der ihrer Dorfdirnen. So wurde ihnen denn zulezt ganz warm um’s Herz.«

»Es schlug die Stunde, wo die Seefräulein wieder heimkehren sollten, aber die jungen Leute baten inständig, dass sie bleiben möchten. Gern hätten diese eingewilligt, denn sie waren nicht kalt wie die Fische, und gefühllos, insbesondere hatten zwei manierliche und hübsche Pursche bei ihnen ein solches Wohlgefallen erregt, wie sie es bisher noch nicht empfunden; aber ein strenges Verbot schien ihnen zu rufen, und sie wurden nach einigem Verweilen so ängstlich, dass ihre Tänzer Mitleid mit ihnen hatten, und sich anschickten, sie nach Hause zu begleiten, was auch nach Mitternacht geschah. Hinter dem sogenannten Silberbuckel führt ein Weg die Schlucht hinauf, durch welche aus dem See herab ein rasches Bächlein fliesst. Hier sagte die ältere Schwester zur Jüngern mehrmals: Hörst du die Alten zanken? Ach wohl höre ich es! erwiederte diese. Die Begleiter vernahmen aber nichts, als das Rauschen des Bachs in seinem felsigen Bett.«

»Endlich waren sie nur noch wenige Schritte vom See. Sie nahmen herzlichen Abschied, und gestatteten jede ihrem Führer drei Küsse; als aber die Jünglinge unter Händedrücken sie baten, recht bald wieder nach Schwarzenberg zu kommen, sahen die Schwestern einander an und seufzten. Wartet einige Zeit am See – sagte endlich die Aeltere, – und wenn ihr seht, dass er sich rot färbt, so denket nur, dass es uns schlimm ergangen; es ist unser Blut. Wenn ihr nichts wahrnehmt, so leben wir und – kommen vielleicht recht bald wieder zu euch.«

»Nach diesen Worten traten sie eilig an den Schilf des See’s und in einem Augenblick waren sie nicht mehr zu sehen. Die beiden jungen Leute blickten mit Herzklopfen in den See hinein, der vom Frühlicht schon ziemlich erhellt war. Sie harrten und harrten; als sich aber, so lange man braucht, etwa zehn Vater Unser zu beten, keine Veränderung zeigte, so nahm der Eine den Andern beim Arm und sagte: Komm Bruder! ich kann es nicht mehr aushalten; meine Augen gehn mir über. Es steht ja wohl

Empfohlene Zitierweise:
Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia II. Marcus, Bonn 1875, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_II_165.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)