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weiße Frauen (dames blanches) genannt werden und die im Walde in der Nähe von Quellen oder in Felsenhöhlen wohnen. In Deutschland selbst spaltete sie sich später in eine Unholdin, welche die Kinder schreckt und den Erwachsenen den Bauch aufschneidet und in eine gute, woltätige Göttin.

Frau Berchta ist aber dieselbe Göttin, die sonst Freia genannt wird, die Gemahlin Wodans. Im Mittelalter wurde aus ihr die Göttin Venus, die ähnlich wie ihr Gemahl in einer Höhle wohnt. In der Sage von Wolfdietrich tritt dieselbe ursprünglich auf als verzauberte Waldfrau „diu rûhe Else“ und wird erst zur schönen und glänzenden Göttin, nachdem sie ihre rauhe Haut abgelegt hat.[1] Nach Grimm (Myth. 4. Ausg. I, 254, Anm.) heißt sie in der Schweiz auch Frau Frene oder Verene.[2] Die oben mitgeteilte Vereina-Sage lässt also ganz deutlich erkennen, wer unter dem waldschenkenden Fräulein zu verstehen ist.

Emmendingen. HEINRICH MAURER.     


SAGEN UND ABERGLAUBEN AUS BRETTEN.
I.

Im Lehrwalde nördlich von Bretten spukt ein buckliger Jude, der jeden Begegnenden verführt.

Ein anderer Geist in der Klinge bei Bahnbrücken wirft die Begegnenden zu Boden.

Im Walde zwischen Bahnbrücken und Menzingen wird oft ein Förster gesehen mit zwei Dachshunden. Meist erscheint er mit großem Barte auf einem Baumstumpf sitzend. Er erwidert die Grüße der Vorübergehenden nicht. Nur manchmal, wenn er ohne die Hunde ist, fragt er, ob man die Hunde nicht gesehen habe.

Ferner wird oft eine weiße Frau gesehen, welche in frühster Morgenstunde eine Schachtel unterm Arme vom neuen Schlosse zu Menzingen in das alte wandelt. Sobald sie dort eingetreten ist, hört man ein Jammern und Wimmern.

Am Hühnerbüschel zwischen Münzesheim und Odenheim erscheint ein buckliger Amtmann, der sich dort gehängt haben soll.

In den Waldungen um Nussbaum herum bis gegen die Kohlplatte herab spukt ein Jäger zur Strafe für seine Strenge und Hartherzigkeit und dafür, dass er stets an Sonntagen die Holzaufnahme besorgte. Er erscheint mit finsterer Miene, ein Papier in der Hand.



  1. Wolfdietrich von Salnecke (B), Str. 314 ff.
  2. So im Tannhäuserliede, Toblers Schweiz. Volkslieder I, 102; II, 159.
Empfohlene Zitierweise:
Anton Birlinger, Fridrich Pfaff (Hrsg.): Alemannia XIX. Hanstein, Bonn 1892, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XIX_172.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)