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Rätische, Rasenische sicher hindurchfürt. Die Steubschen Träume[WS 1] sollten zuerst fallen, an denen unsere Gelerten seit Langem wie an einem Osterknochen zerten.

Die „Rätischen Ortsnamen“ haben mit Recht großes Aufsehen gemacht. Dise Namen standen lange Zeit im Rufe gänzlicher Unverständlichkeit. Sie sind aber, sagt Buck, weniger deshalb unverstanden gebliben, weil sie etwa einer unbekannten Sprache angehören, als vilmer darum, weil sie, obwol gröstenteils Kinder der lateinischen, beziehungsweise romanischen Mutter, von romanischen Völklein, die alles Schrifttums entberen, die die Formen irer Mundarten früher niemals fixierten und ire Muttersprache durch alle möglichen Sprachbequemlichkeiten verunstalteten, schon ser früh in irem ursprünglichen und klaren Wortgefüge, unkenntlich gemacht worden sind. Ich finde, sagt Buck weiter, daß in Rätien die Zal der vorromanischen Namen nicht größer ist als die der vordeutschen Ortsnamen in Schwaben und Baiern. Seit die Romanisten die rätoromanischen Dialekte genau durchforschen, stellt sich heraus daß diser Sprachschaz zu 60–65% aus der lateinischen, 30% etwa aus der deutschen Sprache stammt.

Steub sah ein, daß sein Gebäude nun nicht mer dem heutigen Stande der Wißenschaft entspreche, wollte einen Neubau auffüren auf Grund von Bucks Forschungen, allein auch in hat der Tod hinweggerafft.

Wir nemen Abschid von dem Freunde, dem Gelerten, dem Arzte, ja auch von dem Dichter, worüber ein andermal. Buck wird mit jedem Jare mer Anerkennung in der Gelerten Welt finden.

ABIRLINGER     


FINDLINGE[1]

1 WEHKLAGE ÜBER KOSTNITZ 1786

O Kostnitz, die du einst von Deutschlands freyen Städten
     Mit nichten die geringste warst,
Und Krämer, deren Gold der Erde Majestäten
     Geschmeidig huldigten, gebarst!

Dahin ist nun die Zeit, als aus der Fremden Säckeln
     In deine Pforten Reichthum quoll,
Und laut bis in die Nacht von stolzer Wuchrer Mäkeln
     Dein lärmerfüllter Marktplatz scholl.

Verwelkt ist deine Zier. Der Erde Völker wallen
     Nicht mehr zu deinen Mauern hin:
Tief, wie einst ein Tyrus fiel, tief, tief bist du gefallen,
     Des Bodensees Beherrscherinn!

Wie auf dem Weingebirg ein Winzerhaus im kalten
     Eismonde wüst und einsam steht,
So stehst du öd’ und leer, und bist gleich einer alten
     Reitzlosen Buhlerinn verschmäht.


  1. Gedichte v. Joseph Franz Ratschky. Neue vermehrte u. verbess. Aufl. Wien, gedr. für Rudolph Gräffer u. Co. bey Ignaz Alberti. 1791.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Traüme
Empfohlene Zitierweise:
Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia XVI. Hanstein, Bonn 1888, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XVI_293.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2018)