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wollte. Da fühlt er noch das Buch in der Hand, das ihm von dem alten Manne gereicht worden war, und da eilt er, so schnell ihn die Füße tragen, durch Dunkel und strömenden Regen seiner Heimat zu, die er schließlich halbtot erreichte.

Man sollte glauben, der Bauer sei nach solch einem schauerlichen Abenteuer mindestens an einem bösen Fieber erkrankt; aber ihm tat es nichts. Man konnte ihn am anderen Morgen früh wieder kreuzfidel und munter unter seiner Haustür stehen sehen, wie er seinen Nachbarn sein nächtliches Erlebnis erzählte. Von dem Buch aber sagte er nichts.

Von der Zeit an verstand der Kreuzbauer geheime Künste und Hexereien, denn das Buch, das ihm in der schaurigen Nacht geblieben, war ein Hexenbuch.

Einige Zeit nach dem Abenteuer beschenkte den Kreuzbauer seine Frau mit einem Kindchen. Wie es noch heute üblich ist, so waren auch damals zum Tauffeste alle Nachbarn und Bekannte eingeladen, und es ging sehr lustig zu, zumal der Kreuzbauer bei solchen Festlichkeiten kein sparsamer Hausvater war und auftragen ließ, was das Herz begehrte. Wie nun Alles gegessen und getrunken hatte und fröhlich beisammen sass, fragte der Kreuzbauer: „Wünscht sich noch Jemand etwas?“ Da antwortete ihm Einer: „Wenn wir schon wünschen, werden wirs doch nicht bekommen.“ Aber der Bauer sprach: „Alles, was ihr euch hier wünscht, sollt ihr haben.“ „Nun,“ rief lachend ein Bauerndirndel, das wahrscheinlich eine große Kirschenfreundin war, „so wünsche ich mir sofort frische Kirschen.“ Unter großem Gelächter wünschten alle Anwesenden dasselbe, denn es war Winter und nicht daran zu denken, frische Kirschen zu bekommen. Aber der Kreuzbauer war nicht verlegen. „Die Kirschen sollt ihr haben!“ sagte er, ging in seine Kammer, nahm das Hexenbuch und fing an zu lesen. Wie er nun las, kam ein Geist. Den fragte er: „Wie geschwind bist du?“ „Wie die Kugel aus dem Rohr“ erwiderte der Geist. „Dann kann ich dich nicht brauchen,“ sagte der Bauer. Der Geist verschwand und ein anderer kam. Wieder fragte der Bauer und der Geist antwortete: „Wie der Wind!“ „Verschwinde!“ rief der Bauer. Da kam der dritte Geist, der gab auf die gleiche Frage die Antwort: „So geschwind bin ich wie Menschengedanken.“

Empfohlene Zitierweise:
Fridrich Pfaff (Hrsg.): Alemannia XXII. Hanstein, Bonn 1894, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XXII_075.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)