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sie wußte, daß sie von den Unterthanen nicht geliebt war, und sprach: Nun mögen sie aus Furcht thun, was sie aus Liebe nicht thun würden. So geschah es, daß sie von Tage zu Tage bei jedermänniglich mehr verhaßt ward, aber keiner durfte es sich merken lassen, denn auf das leiseste Geflüster gegen die Königin war der Tod gesetzt. Aber die Leute lassen das Wispern und Flüstern darum doch nicht, und weil das Sprichwort wahr ist: Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt endlich an die Sonnen, so hatte es von Anfang an gemunkelt *)[1], als die Königskinder verschwunden waren: kein Mensch könne wissen, was der Spaziergang der Königin bedeutet habe. Denn es waren Leute genug, die ihr wegen ihrer scharfen Augen und ihrer unnatürlichen Freundlichkeit böse Künste zutraueten. Diese Munkelung unter dem Volke dauerte nun immer fort und nahm noch zu; sie aber kümmerte sich darum nicht, und dachte: die werden schon Thiere bleiben, was sie sind, und mir wird keiner die Königskrone nehmen. Aber es begab sich alles ganz anders, als sie gedacht hatte.



  1. *) Munkeln sagt man von Pferden, die im Sommer wegen der Bremsen mit dem Kopf schütteln; Munkeln heißt also: die Köpfe gegen einander bewegen, leise flüstern.
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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_035.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)