Seite:De Arndt Mährchen 1 296.jpg

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umher und Schwäne schwammen majestätisch auf seinem Spiegel. An seinem Ufer hielt immer ein Nachen bereit, der das Kind, wann es wollte, aufnahm und über den See mit ihm hinschwamm, und es dann wieder ans Land trug, wann es ihm gefiel. Dies verkürzte ihr die Zeit auf das angenehmste, und in ihren leeren Stunden vertrieb sie sich die Weile mit allerlei künstlicher Nadelarbeit, worin sie bald eine Meisterin ward und welche sie schon in jenem Garten unter den Alpen geübt hatte. Die kleinen Weissen gaben ihr dies alles nebst manchen andern fröhlichen Gedanken und Erfindungen immer noch im Traume ein, so daß sie eine der klügsten und kunstreichsten Prinzessinnen geworden ist, die je auf der Welt gelebt haben. Diese Weise, die Träume so als Lehrmeister und Unterweiser zu gebrauchen, war eben so fein als unschuldig, und dadurch wurden die Nächte des Lilienmädchens jetzt der schönste Theil ihres Lebens. Denn da trugen und flüsterten die Kleinen ihr alles zu und spiegelten ihr das Menschenleben mit seinen bunten Erscheinungen und seinen mannigfaltigen Wechseln und verworrenen Verhältnissen auf das deutlichste vor; so daß sie es alles verstand und sich leicht darin bewegte, als sie wirklich in die Menschenwelt eintrat aus der Zauberwelt und Wunderwelt, worin ihre Kindheit und Jugend

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_296.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)