Seite:De Arndt Mährchen 1 304.jpg

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Ach! mein einziges süßes Töchterlein! hier war die Stelle, wo die Wölfin sie nahm. So sprach die arme Königin und ward blaß wie ein Schneefeld und schwere und trübe Gedanken beklemmten ihr das Herz so, daß der König sie halten mußte, damit sie nicht in Abkraft hinfiele. Und sie rief in tiefsten Schmerzen einmal über das andere: Meine Tochter! meine Gunhilde! meine einzige Tochter! du kommst nimmer, nimmer wieder!

Gunhilde, die in Gedanken gesessen und ihr Liedchen wehmüthig vor sich hin gesungen hatte, schauete nun auf und erstaunte, als sie den König und die Königin sah: dieselben Gestalten, dieselben Kleider, dieselbe Stelle mit der Eiche und der Bank, die ihr der Traum so oft gezeigt hatte. Und nun war ihr alles klar, und sie sprang auf und lief auf den König und die Königin zu und rief überlaut: Ich bin eure Tochter! nehmt eure einzige Tochter wieder. Ich bin verzaubert gewesen, habe in einem wunderbaren Zaubergarten manches liebe Jahr gesessen und gespielt, und nun weiß ich kaum, wie ich hieher gekommen bin nach Stockholm, ich bin seltsamlich genug von einem kleinen bunten Vogel hieher geführt. Und der König und die Königin sahen sie mit Erstaunen an ob ihrer Jugend und Schönheit, und es

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_304.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)