Seite:De Arndt Mährchen 1 308.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sie, und ging dann in ihr Kämmerlein, und als sie von den Kammerfrauen entkleidet und allein war, warf sie sich vor ihrem Bette auf die Kniee, faltete ihre schneeweissen Hände und weinte und betete mit vielen tausend Seufzern. Die Seufzer aber gingen zugleich zu dem lieben Gott und zu einem schönen blonden Jüngling, den sie die letzten beiden Jahre oft im Traum gesehen hatte, und sie sprach leise bei sich: Ach! mein süßer blonder Jüngling! sähe er doch wie mein Blonder aus!

Den andern Tag, als der Morgen angebrochen war, sandte der König seine Oberhofmeisterin zu Gunhilden und ließ ihr ansagen, sie solle ihren schönsten Schmuck und ihr prächtigstes Geschmeide anthun und gegen den Mittag vor ihm in seinem Gemache erscheinen. Und als es gegen den Mittag ging, da kam die Königin selbst mit allen ersten Damen des Hofes und holten die Prinzessin ab und führten sie in des Königs Gemach, wo der König auf seinem Throne saß und alle die Ersten und Vornehmsten um ihn her standen. Er erhob sich aber von seinem hohen Sitze und führte seine Tochter die Stufen hinauf und setzte sie neben sich und sprach: Dies ist die Erbin unsers Throns, dies ist unsre einzige Tochter, welche Gott auf eine wunderbare Weise erhalten

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_308.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)