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tränkete, nahm sie sie heraus. Sonst that sie es nie, so gern sie auch ihre Augen an ihr geweidet hätte; denn sie fürchtete, die Kröte könne ihr weglaufen oder jemand könne auch kommen und ihr was zu Leide thun. Sie war auch sehr heimlich und ließ sich vor keiner Menschenseele merken, daß sie eine Kröte hatte; denn was würden Mutter Else und die andern Leute dazu gesagt haben?

Man konnte jetzt gewiß von Mariechen sagen, sie trug ein schweres Geheimniß auf dem Herzen. Denn es ist ihr wohl ein schweres schweres Jahr geworden, daß sie die Kröte so getragen hat, und sie wäre oft beinahe davon vergangen. Sie liebte das garstige Thier über alles in der Welt und doch hatte sie auch wieder einen unüberwindlichen Ekel davor, den Menschen vor Schlangen und Kröten nun einmal von Natur so haben. Das Schlimmste und Schwerste aber war die eisige Kälte der Kröte, die sie durch ihre Brust bis tief in ihr Herz hinein fühlte und die oft so fürchterlich war, daß das arme Herzchen fast hätte brechen mögen. Das war aber noch viel schrecklicher, wenn die Kröte sich im Beutel bewegte und wohl zuweilen aufhüpfte. Dann bekam das Kind ein so entsetzliches und zuckendes Herzklopfen, als ob sie den Augenblick des Todes seyn müßte.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_470.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)