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und sich selbst seine liebste Stelle ausgesucht hat. Denn es ist billig, daß jeder da schlafe, wo es ihm am besten gefällt.

Und Mutter und Tochter gingen hin und wollten an dem Stein grade auf der Stelle, wo sie Schneeweißchen todt funden hatten, für sie ihr kleines Grab graben. Und als sie ein bischen gegraben hatten, stieß Christinchen auf etwas Hartes und sprach: Was ist das, Mutter? Und die Mutter traf auch mit dem Spaten darauf, und räumte die Erde weg. Und sie erblickten ein Kästchen; und gruben nun vorsichtig an beiden Seiten die Erde weg, und huben das Kästchen heraus, das aus Eichenholz und unten schon angefault war. Und die Mutter hob das Kästchen neugierig auf, und fühlte, es war sehr schwer, und rief voll Freuden: wie? wenn es ein Schatz wäre? o du mein lieber Gott! wenn es ein Schatz wäre, so hätte dein Schneeweißchen es dir bestimmt. Warum es da nur immer so viel gekratzt und sich eingebuddelt haben mag? Und sie setzten das Kästchen hin und machten das Grab zurecht, und schütteten Rosen und Lilien und grüne Kräuter hinein und legten Schneeweißchen sanft drauf und beschütteten sie wieder mit Blumen; dann deckten sie es mit Erde zu und pflanzten Rosen und Violen umher, und Christinchen hat das Grab jeden Tag mit Thränen und mit Wasser begossen.

Was ist aber in dem Kästchen gewesen? Der alte Weber mußte lange arbeiten, bis er es aufbrechen konnte, denn es war sehr fest vernagelt. Und als sie es mit vieler Mühe erbrochen hatten, siehe! da steckte in dem Kästchen

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_226.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2018)