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und dann sagte der Scharlakene zu Hans: Höre, Sohn, du siehst mir grade aus wie ein Fuhrwerk, das ich brauchen kann; ein schlanker magrer Mann wie ich ist dir nur eine Feder. Und ich sehe dir an, du hast Lust dich ein bischen in der Welt umzusehen und etwas zu versuchen, und die Lust kannst du bei mir büßen, ohne daß es dir einen Pfennig kostet; denn ich bin unaufhörlich auf Reisen und es geht mit mir von einem Bade ins andre und von einer Stadt zur andern. Gute Tage aber sollst du bei mir haben und wie ein Prinz leben, Wein und Braten und Spiel und Tanz und was dein Herz gelüstet die Hülle und Fülle; denn auf einige hundert Thaler mehr oder weniger kommt mir's nicht an und Silber und Gold ist mein Geringstes. — Was sagst du dazu? die Hand her! und Topp!

Und Hans bedachte sich nicht lange und sagte Topp! solch ein Leben muß ich auch mal probieren. Und er lud den scharlakenen Herrn auf und trabte frisch mit ihm fort. Und Hans merkte, daß er ihm nichts vorgelogen hatte; denn es kam ihm wirklich vor, als wenn er nur eine Feder trage. Und als er eine halbe Stunde mit ihm gelaufen war, sagte er: Gnädiger Herr, ihr seid wirklich fast zu leicht für einen Menschen, und wenn ich einem andern sagte, daß ihr kaum ein halb Pfund wiegt, so würde er glauben, ich lüge. Der Rothe aber lächelte und sprach: Das kommt dir nur so vor, Hans, weil du so stark bist; und eben weil ich dir die gewaltige Stärke ansah, habe ich dich zu meinem Träger und Diener begehrt.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_236.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)