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seinem Rothen, und nahm ein goldenes Kreuz auf, das in Jerusalem gemacht und am heiligen Grabe geweiht und von einem frommen ins Abendland zurückwandernden Pilger verloren war. Und der Rothe war neugierig und fragte: Hans was hast du? du hast mich bei deinem verwünschten Bücken arg gestoßen; ich rathe dir, Schlingel, mich künftig erst um Erlaubniß zu bitten, eh du solche halsbrechende Sprünge machst. Her! was hast du? Da wies Hans ihm das Kreuz.

Als der Rothe das Kreuz erblickte, da hätte einer sehen sollen, welche seltsame Gebärden und grinsenden Gesichter er schnitt. Er krümmte und verzuckte sich plötzlich und riß sich in so wilden und schüttelnden Bewegungen auf Hansens Rücken hin und her, als wäre er von Sinnen gekommen, und that einen so fürchterlich gräßlichen Schrei, als hätten tausend Speere ihm zugleich ins Herz gebohrt; so daß selbst der muthige Hans einen Augenblick erschrack, indem er meinte, es habe eine Schlange oder ein Skorpion den Scharlakenen gestochen. Er riß sich aber nun mit reissender Gewalt von Hansens Rücken los und fiel auf dem Wege in den Staub. Und da lag und winselte er erbärmlich und zappelte und zuckte mit dem ganzen Leibe und schüttelte und streckte und reckte sich mit Händen und Füßen, als müßte er augenblicklich des Todes seyn. Den treuen Hans jammerte das sehr, und er lief an einen Bach, nahm seinen Hut, füllte ihn mit Wasser und goß dem Rothen das ins Gesicht, ob es ihm die Pein lindern und kühlen könnte. Aber jener krümmte und zuckte sich immerfort und schrie auf das allererbärmlichste.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_244.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)