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aus einem russischen Lazareth oder aus einer rumfordschen Suppenanstalt entsprungen, und habt euch hier freilich kein Land Gosen ausgesucht, das eure magern Schäden bessern könnte. Und wer seid ihr? und wie heißt ihr? Und sie antworteten: Wir sind zwei Brüder, Kinder Einer Mutter, wir heißen Hunger und Durst, und unsre Mutter heißt Armuth. Wir haben uns hier an die Straße gelegt, weil wir einen guten Dienst suchen. Hans antwortete: Ich bedarf jetzt eben nicht sonderlich eures Dienstes; ich habe einst selbst einem prächtigen rothen Herrn gedient, damals hätte ich euch zuweilen brauchen können. Doch sey’s drum! kommt nur mit! Ich will einmal prüfen, ob ihr auch die ächten seid – und er rief: Bricheisenundstal und Packan! aus! aus! und schafft’s! Und sie strichen hinaus in die Wüste und trieben wohl ein paar Dutzend Gazellen zusammen, welchen sie die Hälse brachen, und zum guten Zeichen auch einen Büffel. Und Hans rief dem magern Bruderpaar zu, und sie machten sich über den getödteten Raub her, und Hunger fraß das Fleisch und die Knochen und Durst schlürfte das Blut aus; und nach einer Viertelstunde lagen die leeren Häute da. Und Hans rief: Bravo! ihr habt nicht gelogen, und sollt meine Diener seyn. Und sie folgten ihm.

Und als sie ein wenig fürbaß gegangen waren, wunderten sie sich der kühlen Luft, wovon sie plötzlich angeweht wurden, und Hans hob die Augen gen Himmel und betete: Du lieber frommer Gott! willst du mich endlich vom Brand der Wüste erlösen? Und horch! es scholl eine Stimme aus dem Sande: Misbrauche nicht Gottes

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_256.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)