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und die Sterne sind oft aufgegangen, ohne daß er gewußt, es sey anders am Tage.

Armer Prinz! wie würdest du dich gefreut haben, wenn deine Augen hätten in das Gärtchen hinüberreichen können, wo deine Nanthilde jetzt wohnte, zwanzig Meilen weiter, und wo sie eben so stand wie du und mit den Sternen kosete und mit sehnsüchtigen Augen die hohen Berge hinan schaute und seufzete: O mein altes süßes Gärtchen! wo bist du geblieben? wo ist er geblieben? – Und er soll des Vaters Todfeind seyn, und kann doch mein Todfeind nicht seyn – wie ist das doch? – Nein, das ist er nicht, ein Bösewicht ist er nicht, gewiß das ist er nicht; und der Vater irrt sich sicherlich und weiß nicht, wen er meint. O wenn er nur hier wäre! und der Vater könnte ihn sehen! dann würde es wohl klar werden.

So saß der einsame Prinz hier in seinem Gärtchen und verlebte seine traurigen und auch wieder seligen Tage in Sehnsucht und Schwärmerei, und ward ein ganz anderer Mensch, als er vorher gewesen. Der muthige feurige und rüstige Jüngling, der er sonst war, der Ringer Jäger und Reiter, war gar nicht mehr in ihm zu erkennen. Auch fing die Stärke seines Leibes und die Schönheit seiner Gestalt an zu verfallen; so daß der König, der nur diesen einzigen Sohn hatte, sehr traurig war und mit seinen Freunden rathschlagte, wie er ihn dem unwürdigen Müßiggange und der leeren und nichtigen Träumerei entrisse. Es lebte nun an seinem Hofe ein weiser Mann, des Königs Freund und auch des Prinzen Freund, der ging einmal zum Könige und sprach zu ihm: Herr König,

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_291.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)