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spornte. Da als sie des Weges ritten in Persien am Kaspischen Meere hin und Hilderich einmal unter grünen Bäumen und blühenden Rosensträuchen ein ländliches Gärtchen und Häuschen sah und ein kleines Mädchen mit blonden Locken, welches die Blumen begoß, sprach er: So ungefähr war es dort in meinem stillen Bergthale und solche goldne Locken trug mein Nanthildchen und solche weiße linnene Kleider; aber weh mir! denn nimmer wird der stolze König mein Vater mir die Tochter eines Gärtners zum Gemal geben. – Er wird es, weil er muß, wenn sein Sohn leben soll, sprach Reginfrid. Und warum sollte eines armen Mannes Kind nicht Königin seyn können? Hast du nicht die schöne Geschichte gehört von dem Könige in England, der eines armen Schäfers Kind aus einem Adlerneste herunterholte, und das Kind ward so wunderschön, daß er es seinem Sohnes zur Frau gab? Gott, der größte und künstlichste Meister, macht oft die herrlichsten Menschenkunstwerke in den Hütten der Hirten und Bauren und läßt die weisesten und tapfersten Kaiser und Könige, wenn er will, zuweilen Weichlinge und Ungeheuer zeugen. Und ist dein Nanthildchen die holdseligste und unschuldigste aller Jungfrauen im Lande, wie sollten wir vor ihr nicht gern als vor unserer Königin knieen? Darum muthig und fröhlich in Hoffnung weiter!

So hat Reginfrid den Prinzen getröstet und frischen Lebensmuth und Liebesmuth in seiner Brust angeblasen; und sie sind immer gegen Westen geritten, bis sie wieder zum Lande der Franken und zur lieben Heimath gelangten.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_296.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)