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Alte gestorben war, und lachte, als Nanthildchen weinte. Sie legte sogleich ihre Hand auf den hinterlassenen reichen Schatz des alten Herrn, und ließ sich ein großes prächtiges Haus bauen und veränderte das ganze sonst so stille Leben in ein sehr lautes und lärmendes. Da kamen nun

Kutscher und Diener und Kammerjungfern und Waschjungfern, und viele hundert Bergknappen wurden bestellt, welche die hohen Felsen durchbrechen und zersprengen und von ihrem prächtigen neuen Schlosse einen weiten und offenen Weg zu der großen Landstraße bahnen und legen mußten. Denn sie wollten nun auch große und glänzende Gesellschaft halten und Menschen sehen und von ihnen gesehen werden, und hatten die Einsamkeit bei dem Alten nur ertragen, weil sie mußten. Weil nun die Alte und ihre Töchter auf Nanthilden erzneidisch waren wegen der wunderbaren Lieblichkeit und Schönheit, womit Gott vom Himmel sie begabt hatte, so suchten sie sie auf alle Weise recht häßlich und garstig zu machen, damit sie wegen Schmutzes und Lotterlichkeit von niemand angesehen würde. Sie zogen ihr sogleich ihre schönen Kleider aus und schnitten ihr die langen blonden Locken ab und plünderten sie von allem ihrem Geschmuck und Geschmeide und gaben ihr schlechte Kleider und Hadern aus dem gröbsten und schwersten Werg, und ließen sie Winter und Sommer baarfuß gehen; und sie mußte Holz hauen und Wasser tragen und Kessel und Töpfe scheuren und die Öfen heitzen, und am Feuerherde in der Asche sitzen und liegen: denn auch ihr Stübchen und Bett hatten sie ihr genommen. Und sie sagten frohlockend bei sich: So wird sie wohl grau und

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_301.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)