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band sich eine weiße Schürze vor – und leise leise schlich sie durch den Garten hinaus an den Wald, wo ihr Vater unter einer grünen Buche begraben lag, und weinte und betete auf seinem Grabe, und schaute mit Augen der Sehnsucht und Liebe zu den ewigen Sternen hinauf, und dachte: Wird er jemals wiederkehren, den dein Vater seinen Todfeind nannte und der doch nicht wie ein Todfeind aussieht? wirst du den schönen Jüngling je wiedersehen, vor welchem du jüngst noch wie ein Blitz wegschießen und verschwinden mußtest? Bei diesem Gange durch die stille Nacht fand sie immer Trost und ward ihr lind und fröhlich ums Herz, und sie meinte, das sey eine Freude von oben, weil sie nach ihres Vaters Gebote so gehorsam war und alle Schmach so geduldig ertrug; und es war auch wohl eine Freude und ein Friede von Gott. Und das war auch wohl eine himmlische Gabe und eine Gnade Gottes, daß sie fast jede Nacht zwei drei Stunden so wachen und doch ihre viele Tagesarbeit verrichten konnte. Immer aber, wann sie in die Küche zurückkam, zog sie geschwindest ihre garstigen und zerrissenen Kleider wieder an und machte sich, damit ihre Plagerinnen nichts merkten, mit Asche und Schmutz scheußlich.

So mußte Aschenbrödel in Schmutz und Knechtschaft leben und ward oft und viel mit Schelten und Schlägen und Backenstreichen gemishandelt und von jedermänniglich mit keinem andern Namen genannt und gerufen als der häßliche dumme Aschenbrödel. Sie schwieg aber geduldig und dachte: Gott wird es wohl wissen, warum ich dies leiden muß; und er weiß und thut alles am besten.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_303.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)