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Und es war ihr, als redete das Täubchen mit ihr und flüsterte ihr zu: Was stehst du hier so traurig? geh doch auch hinauf und schau zu, und sieh den geliebten König, den schönsten und ritterlichsten aller Männer. Du kannst dich ja so verkleiden , daß niemand dich kennen kann. Und Nanthildchen kam große Lust an, und sie ging und suchte, ob sie noch wohl Kleider hätte, wovon die alte Hexe, ihre Stiefmutter, nichts wüßte. Doch wie viel sie umher suchte, alles hatten die Bösen und Neidischen ihr weggenommen, sie fand nichts Gutes und Nettes, und weinte bitterlich. Als sie nun so in traurigen Gedanken einherging und im Gefühl ihres Elends das Köpfchen hangen ließ, leuchtete ihr auf einmal von einem Stule etwas Schimmerndes entgegen, und sie erblickte erstaunt das schönste rothe Ballkleid und eine Maske dabei und weiße seidene Strümpfe und Schuhe. Und nun säumte sie nicht lange, fragte auch nicht, wie es dahin gekommen noch wer es gebracht habe, sondern ging hin, wusch sich, kämmte sich, kleidete sich, spiegelte sich, und lief flugs auf geschwindesten Füßen der Liebe den Berg hinan. Und das weiße Täubchen flog mit ihr bis dicht vor den Saal, und girrte und klatschte mit den Flügeln in Einem fort, als wollte es sagen Glückauf! Glückauf! Dann flog es ins Thal zurück. Und zitternd und bebend vor Freude und Schüchternheit trat Aschenbrödel in den Saal, wo viele Tausende im buntesten Gewimmel sich durch einander drängten. Sie aber wollte nichts als ihren geliebten König Hilderich sehen; und sie sah ihn viel und freute sich in ihrem Herzen.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_311.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)