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endlich, wo er gestoben und geflogen ist. Gewöhnlich sagen dann die Leute: er ist in die Welt gegangen, sich in der Fremde etwas zu versuchen; sie sollten aber sagen: er ist aus der Welt gegangen, sich in einer andern Welt etwas zu versuchen.

Wenn nun der Altmeister und seine beiden Beisitzer die erste Vorbereitung gemacht haben und wenn mit vielen heimlichen und entsetzlichen Worten und Gebärden die Beschwörung und Verlobung im Namen des höllischen Fliegenkönigs Beelzebub geschehen ist, muß der junge Schütz sein Gewehr ordentlich laden. Darauf nehmen sie ein Tuch und binden ihm die Augen fest zu, drehen ihn dreimal im Kreise herum, und sprechen abermal manche dunkle und gräuliche Worte. Ist das geschehen, so hört er dreimal mit dem Ausruf Schieß ihn!, und mit Andeutungen, als gelten ihm die Schüsse. Und zittert er dabei oder zuckt aus Furcht nur Einen Finger, so geißeln sie ihn bis aufs Blut und jagen ihn sogleich weg. Hat er aber dies auch tapfer bestanden, so wird ihm die Binde von den Augen genommen, und was sehen diese Augen dann? An einem Baum sieht er eine Laterne hangen, und unter der Laterne ein großes weises Kreutz frisch in die Rinde gehauen. Dahin aber muß er mit scheußlichen Verfluchungen und Verwünschungen zielen und schießen einmal und zweimal; bei dem dritten Schuß aber, den er thun will, erscheint das Jesuskindlein an der Stelle, wo das Kreutz war, und lächelt so freundlich und holdselig, als wolle es bitten: Schieß mich doch nicht, du Verblendeter! ich bin ja das unschuldigste und reinste aller Kinder

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_335.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)